■ Mit Öko-Lebensmitteln auf du und du: Gentechnik im Anhang
Berlin (taz) – Auch wenn Sie biologisch einkaufen, sind Sie künftig nicht vor Nahrungsmitteln gefeit, die gentechnisch verändert worden sind. Verantwortlich für diesen Anschlag auf Ihre Konsumentensouveränität sind Beamte der EG-Kommission in Brüssel. Die haben in letzter Minute die Richtlinie zum Biolandbau (EWG Nr. 2092/91) so verändert, das selbst Lebensmittel, die das Etikett „aus kontrolliert ökologischem Landbau“ tragen, gentechnisch verändert sein können.
Das funktioniert in Brüssel so: Die Kommission stellt dem EG-Parlament eine Richtlinie vor, das Parlament liefert einen Bericht dazu, und der EG-Ministerrat verabschiedet die Richtlinie dann, abwägend zwischen dem Vorschlag der Kommission und den Veränderungswünschen des Parlaments. Im vergangenen Herbst verabschiedete der Ministerrat auf diese Weise die Richtlinie für den biologischen Landbau und folgte dabei „im wesentlichen den Vorstellungen des Europaparlaments“, erinnert sich der grüne EG-Parlamentarier Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf. Es sei eine gute, ökologisch akzeptable Verordnung gewesen.
Dann aber griffen die Beamten der Kommission zu einem Trick, der den europäischen KonsumentInnen künftig genmanipuliertes Biobrot bescheren kann. Zu der Richtlinie mußten nämlich eine Reihe von technischen Anhängen formuliert werden – eine Aufgabe, die prinzipiell die Kommissions- Beamten erledigen. In einem dieser Anhänge hat sich die Formulierung „eingeschlichen“, daß für die Produktion biologischer Lebensmittel mit vorheriger Genehmigung „genetisch veränderte Mikroorganismen“ eingesetzt werden können.
Den ParlamentarierInnen des EG-Parlaments ging diese Eigenmächtigkeit der Brüsseler Beamten zu weit. Der Präsident des EG-Parlaments werde gegen die „Beimischung gentechnisch veränderter Hefen in Biobrot oder manipulierter Enzyme in Gemüsepasteten“ jetzt vor dem Europäischen Gerichtshof vorgehen, berichtet Graefe zu Baringdorf.
Hinter dem Trick stand die Gentechnik-Lobby in Brüssel, ist der grüne EG-Parlamentarier überzeugt. Diese 50 bis 60 Lobbyisten vor allem aus der chemischen Industrie haben sich in einem „Senior Advisory Group on Biotechnology“ zusammengeschlossen und nähmen regelmäßig Einfluß auf Gesetzgebungsverfahren. Hermann-Josef Tenhagen
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