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■ Mit Öko-Landwirtschaft auf du und duBillig und reichlich

Berlin (taz) – Ob dumme Bauern nun dicke Kartoffeln ernten oder kleine, für Europas Agrarhaushalte spielt das kaum eine Rolle. Die Gelder der europäischen Agrarbürokratie landen derzeit sowieso nicht bei den Bauern, sondern bei Lebensmittelhändlern und in den Giftküchen der chemischen Industrie. Das zumindest ist das Ergebnis einer neuen Greenpeace-Studie zur europäischen Agrarpolitik. Von jeder ausgegebenen Mark für Lebensmittel erhalten die Bauern heute gerade noch 20 Pfennige. Vor dreißig Jahren waren es noch 75 Pfennige. Allein die Lebensmittelhändler erhielten 1990 rund 18 Milliarden Mark an Exportsubventionen, um EG-Butter- und Rindfleischberge auf dem Weltmarkt loszuwerden. Und für Pestizide und Kunstdünger werden jährlich jeweils 15 Milliarden Mark ausgegeben.

Dabei könnte alles ganz anders sein: Die Frühlingsblumen könnten wieder blühen, die Giftspritzen würden eingemottet, und auch der Kunstdüngerstreuer bliebe in der heimischen Scheune des Landmanns. Und trotzdem gäbe es zu annähernd gleichen Preisen weiter frische Brötchen, Käse und Milch auf den Dörfern und in den europäischen Trabantenstädten.

Notwendig, so WissenschaftlerInnen vom „Institut für ökologische Zukunftsperspektiven“ in einer Fallstudie, sei dazu lediglich etwas haushaltstechnische Phantasie. Von den in der Bundesrepublik im Landwirtschaftsbereich ausgegebenen 20,6 Milliarden Mark könnten mit ein bißchen gutem Willen rund 10 Milliarden umgeschichtet werden. Genug, um „nach einer flächendeckenden Umstellung auf ökologische Landwirtschaft den Landwirten ihre Mindereinkünfte auszugleichen“.

Die Ernteerträge, so die Forscher, seien im Öko-Landbau zwar um 10 bis 30 Prozent niedriger“. Doch dies würde angesichts der jetzigen Überschüsse eher Probleme lösen als neue schaffen. Derzeit produziert die EG 20 bis 30 Prozent mehr Nahrungsmittel, als sie braucht. Bei geringeren Erträgen gäbe es keine Butterberge, Milchseen und Rindfleischberge mehr. Ganz davon abgesehen, daß das EG-Rindfleisch nicht mehr mit Dumpingpreisen brasilianische Bauern in den Ruin triebe.

Erhoffter Effekt einer solchen Umstellung: Sie würde nicht nur zu gesünderen Nahrungsmitteln, sondern auch zu einer spürbaren Entlastung der Umwelt führen. Die Pestizidbelastung etwa, die heute auf 63 Prozent aller EG-Agrarflächen höher als erlaubt ist, werde deutlich zurückgehen, hofft Greenpeace. Und Europas Äcker und Wiesen könnten sich von den 300.000 Tonnen Agrargifte pro Jahr erholen.

Mit Blick auf den EG-Agrarministerrat verlangt Greenpeace einen stufenweisen Ausstieg aus der Agrarindustrie. Wie für die Bundesrepublik vorgerechnet, müßten die Agrarsubventionen auf den Öko-Landbau konzentriert werden und für die konventionelle Landwirtschaft „stufenweise auf Null“ sinken. „Deutschland ist rechnerisch für die Umstellung sogar ein eher ungünstiges Land, in anderen EG-Ländern sind die Subventionen, die zugunsten der ökologischen Landwirtschaft umverteilt werden können, noch höher“, so Klaus Lanz von Greenpeace.

Die von Greenpeace geforderte schrittweise Umstellung bis zum Jahr 2000 gebe den Landwirten genügend Zeit, selbst ökologisch unsinnige Investitionen noch abzuschreiben und sich dann auf die Betriebsumstellung vorzubereiten. Eine jährlich steigende Stickstoff- und Pestizidsteuer würde den Umstieg in die ökologische Landwirtschaft beschleunigen. Hermann-Josef Tenhagen

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