■ Mit Käse und Kuh auf du und du: Milchkonzentrat
Berlin (taz) – „Unsere Marktsituation ist hervorragend, unser Umsatz ist hervorragend!“ Südmilch-AG-Sprecherin Helma Ohlendorf könnte sich ohne Bedenken für einen Reklamespot im Radio bewerben. 60 Prozent der deutschen Flaschenmilch stammen aus dem Konzern, einige Joghurtsorten schafften im letzten Jahr Steigerungsraten von 40 Prozent. Trotzdem fehlten Ende 1992 nach ihren Angaben bis zu 30 Millionen Mark in der Kasse der größten deutschen Molkerei. Deshalb müsse saniert werden.
Das Montag vom Vorstand vorgelegte Konzept sieht vor, zwei Molkereien zu schließen und das Hauptwerk in Heilbronn auszubauen. 730 Angestellten wird in den nächsten Tagen die Kündigung ins Haus flattern. Und auch die zuliefernden Bauern müssen Verzicht leisten: sie sollen 2,25 Pfennig weniger pro Liter Milch bekommen – bei einem Preis von gut 65 Pfennig ein nicht unbedeutender Betrag.
Der Versuch, die Verarbeitung zu konzentrieren und so bessere Gewinne zu erwirtschaften, kennzeichnet die Molkereiwirtschaft seit Jahren. Noch gibt es rund 450 Milchverarbeiter in Deutschland; vor etwa zehn Jahren waren es noch rund ein Drittel mehr, schätzt Walter Senff, Sprecher vom Verband Deutsche Milchwirtschaft.
Da der Markt wegen der EG- Quoten nicht ausgeweitet werden kann, versuchen die größeren Meierein, ihre Anteile zu vergrößern, indem sie kleinere Betriebe schlucken oder zu Lohnabfüllern machen. Die Südmilch AG hat sich inzwischen rund 1 Milliarde Kilo pro Jahr gesichert — in ganz Deutschland dürfen zur Zeit 28,5 Milliarden Kilo verarbeitet werden; bei Überschreitung müssen Strafgelder nach Brüssel überwiesen werden. EG- weit ist den Kühen erlaubt, 100 Milliarden Liter Milch zu geben, ohne daß sie mit einem frühen Ende beim Schlachter rechnen müssen.
Die Konzentration der Molkereien hat die Fahrwege der Milch vom Bauern zum Verarbeiter und die der Milchprodukte zum Verbraucher erheblich verlängert. In Baden-Württemberg wird die Milch gelegentlich über 100 Kilometer vom Kuhstall zur Molkerei transportiert, so Heinrich Maurer vom Landesbauernverband. Umweltpolitisch bedenklich findet er das nicht. Ihn interessiert nur eines – daß die Milchpreise bald wieder steigen. Annette Jensen
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