Mit Hamburgs Sport auf du und du: Völker hört die Signale
■ Hamburgs schnellste Rückenschwimmerin will Gold, aber nicht den Trainer, der sie betreut
“Das Fräulein Völker“,sagt Harald Herberg immer, wenn er über die schnellste Rückenschwimmer in der Republik spricht, und das nicht, weil er übermäßig altmodisch oder Macho wäre. Der Hamburger Schwimmtrainer distaniziert sich auf diese Weise von der Hamburger Schwimmerin. Genauer gesagt: Man distanziert sich gegenseitig voneinander.
Die 19jährige Sandra Völker meint, der Herr Herberg, der hauptamtlich beim Olympiastützpunkt arbeitet, sei gar nicht ihr Trainer. Mit dieser ungeklärten Beziehungskiste reisen die beiden am Sonntag (1. August) zur Europameisterschaft nach Sheffield, wo die junge Frau über 100 Meter Rücken und in der Lagenstaffel Medaillen gewinnen will, goldene am liebsten.
„Das Fäulein Völker hat im Weltcup 15.000 Dollars gewonnen“, sagt Harald Herberg beispielsweise. Und nun ist sie ein wenig größenwahnsinnig geworden. Nein, das sagt er nicht. Vielleicht denkt er es. Jedenfalls gibt er zu verstehen, daß ihm ein freiberuflicher Schwimmprofi, der sich seine Chancen auf dem Markt sucht, reichlich suspekt ist.
Sandra Völker hört die Signale: „ Ich habe gemerkt, daß man mit dem Schwimmsport Geld machen kann!“ Nicht nur die 15.000 Dollars. Ein Hamburger Geschäftsmann, der sein Geld in Tennisplätzen und Fitness-Studios macht, zeigte sich von ihren flackernden braunen Augen, ihrem Temperament oder der eindrucksvollen Wasserlage der Schülerin so beeindruckt, daß er ihr als Mäzen dies und jenes finanziert: eine Videokamera, ein Trainingslager für sie allein auf Lanzarote und gar einen eigenen Nachhilfelehrer in Sachen Schwimmstil.
Und dann ist da noch ihr Freund. Der heißt Dirk Lange, ist 30 Jahre alt, Taxiunternehmer, Betriebswirtschaftsstudent, selbst noch ein guter Rückenschwimmer. Der steht - ein paar Schritte neben Herberg - immer am Beckenrand, wenn seine Freundin neunmal die Woche im Dulsbergbad ihre Bahnen zieht.
„Dirk ist mein Trainer“, erklärt Sandra Völker bestimmt. Viel öfter kommt sie allerdings kaum zu Wort, wenn es um die Schilderung ihrer Motive, ihrer Karriere und ihrer sportlichen Ambitionen geht.
Daß sie bei den Olympischen Spielen in Barcelona so schlecht war und aufhören wollte, daß die Trainingspläne Herbergs viel zu umfangreich seien, um eine Kurzstreckenschwimmerin schneller zu machen, daß man keine vom Verband verordneten Höhentrainingslager mehr besuchen wolle und daß sie das 100-Meter-Rücken-Rennen in Sheffield vom Start weg dominieren werde, all dies erklärt Dirk Lange im Namen seiner elf Jahre jüngeren Freundin.
Verheißungsvolle Ergebnisse im Juni gaben dem eigenwilligen Duo bislang recht. Bei ihrem ersten deutschen Meistertitel erreichte sie das Ziel über die 100 Meter schon nach 1:01,73 Minuten, über eine Sekunde früher als im Vorjahr. Auf dieser kurzen Distanz ist das beinahe eine Ewigkeit. In Sheffield will sie noch eine halbe Sekunde einsparen.
Wenn es dafür dann auch noch Gold gibt, soll das hernach so schnell wie möglich versilbert werden. So stellen sich die beiden das vor und haben dafür auch schon den früheren Volleyball-Nationalspieler Frank Mackerodt als Marketingexperten eingespannt.
„ Aber sie wird nie eine Franziska von Almsick“, glaubt Trainer Harald Herberg, nach dessen Plänen der ehrgeizige Youngster merkwürdigerweise trotz prinzipieller Opposition trainiert. Herberg schwant nach dem Rennen von Sheffield die nächste Verwicklung im Dreiecksverhältnis: „Daß der Lange verantwortlich ist, wenn das Fräulein Völker gut schwimmt, und daß es Herberg war, wenn sie schlecht schwimmt“ äußert der vormalige DDR-Schwimmpädagoge mit einem Achselzucken.
, Olaf Krohn
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