Mit Hamburgs Sport auf Du und Du: Ein unverhoffter Weltmeister
■ Der Hamburger Straßenradler Jan Ullrich gewann in Oslo
Hamburg ist im Radsport ein Niemandsland und hat dennoch seit Samstag einen Straßen-Weltmeister der Amateure. Der 19jährige Jan Ullrich ist der jüngste Rad-Weltmeister überhaupt, doch in der Hansestadt kennen ihn nur die Fachleute. Ulrich kam erst vor zwei Jahren an die Alster, gemeinsam mit Trainer Peter Becker (55) und vier weiteren Rennfahrern aus Berlin. Dort hatte man für Becker, der unter anderem auch kurzzeitig für Olympiasieger Bernd Dittert veranrtwortlich zeigte, keine Verwendung mehr.
Im damaligen „Stasiklub“ SC Dynamo Berlin wurden nach der Wende alle Trainer, die bis dahin bekanntlich vom Ministerium des Innern der DDR bezahlt wurden, „abgewickelt“, wie der Rausschmiß im Verwaltungs-Deutsch heißt. Für Peter Becker bot der Verein eine Honorar-Trainerstelle für 400 Mark im Monat an. „Das konnte und wollte ich nicht annehmen.“ Für eine gleichzeitig ausgeschriebene Stelle als Berliner Landestrainer der Junioren schien er auch nicht der geeignete Mann. Becker stand vor dem Aus und hatte Glück im Unglück. Aus Hamburg kam ein verlockendes Angebot.
Ex-Schützling Bernd Dittert – jetzt Assistent von Bundestrainer Peter Weibel – brachte Becker mit dem Vorsitzenden der RG Hamburg, Wolfgang Strohband, zusammen. Und der griff zu. „Wir wollten eine leistungsstarke Bundesliga-Mannschaft aufbauen“, so Strohband. Becker schien dafür der richtige Mann zu sein. Er zog mit fünf Schützlingen in ein Haus nach Hummelsbüttel am Hamburger Stadtrand. Auch seine „Mitbringsel“ Andre Korff und Ralf Grabsch sind in den C-Kader aufgerückt.
Um die Berliner Junioren wurden in Hamburg weitere Rennfahrer aus der Stadt gruppiert, der angestrebte Bundesliga-Aufstieg 1992 auf Anhieb geschafft. Nach sieben von zwölf Bundesliga-Veranstaltungen liegen die Norddeutschen sogar auf Platz vier. Strohband: „Wir haben praktisch aus dem Nichts wieder den Radsport in Hamburg heimisch gemacht“, so Wolfgang Strohband.
Der neue Weltmeister Jan Ullrich ist ein typisches Produkt der DDR-Talenteförderung. In Rostock begann er seine Karriere und wurde nach Berlin „delegiert“. Er erkämpfte Jugendmeistertitel und Spartakiade-Erfolge. Am Ende dieser Aufbauphase stand schließlich 1991 der 5. Platz bei der Junioren-Weltmeisterschaft im Cross. „Sieben Jahre habe ich Jan und seine Kameraden als Trainer begleitet. Jetzt wünsche ich mir nur, daß er uns noch weiter erhalten bleibt. Für eine Profi-Karriere ist er meiner Meinung nach noch zu jung und trotz des Erfolges noch nicht reif“, sagt Becker und ergänzt: „Jan Ullrich ist ein junger Bursche mit viel eigenem Willen, der leidenschaftlich gern Rad fährt. Er hat sogar im vorigen Jahr für den Radsport eine Lehrstelle abgebrochen.“ J.Strauß (dpa)
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