■ Mit Finnlands Krise auf du und du: Spirale abwärts
Helsinki (taz) – Finnland ist auf dem Wege, immer tiefer in die schwerste Wirtschaftskrise seit der weltweiten Depression zu Beginn der dreißiger Jahre zu rutschen. Die seit dem Herbst letzten Jahres freigegebene Finnmark hat im Durchschnitt 20 Prozent ihres damaligen Werts eingebüßt, gegenüber dem Dollar sogar 40 Prozent.
Neben der einbrechenden Konjunktur ist vor allem die Situation im Finanzwesen dafür verantwortlich. Die Banken und deren private und geschäftliche KundInnen hatten sich in den goldenen Konsumjahren zu Ende der achtziger Jahre völlig verhoben. Hunderttausende von Krediten platzen jetzt wegen Zahlungsunfähigkeit und Konkursen. Nachdem die Regierung bereits im letzten Jahr fast 50 Milliarden Finnmark – vergleichsweise ist dies etwa der Betrag, der pro Jahr für die Altersversorgung in Finnland aufgewendet werden muß – in die bankrotten Banken gepumpt hatte, wird nun ein weiterer Betrag in gleicher Höhe fällig.
Für die staatlichen Kredite gehen im Gegenzug Bankaktien an den Staat, so daß ausgerechnet die Rechtskoalition unter Ministerpräsident Aho binnen kurzem einen Großteil des finnischen Bankwesens verstaatlicht haben wird, wenn auch wider Willen. Mit den Krediten in Höhe von dann fast 100 Milliarden Finnmark soll das Bankwesen angeblich bis 1995 über Wasser gehalten werden können. Für danach hofft man auf bessere Zeiten.
Landesweit sind 18,6 Prozent der Erwerbsfähigen ohne Arbeit. Im östlichen und nördlichen Landesteil gibt es stellenweise bis zu 40 Prozent Arbeitslose. Der neue Schub an Arbeitslosigkeit ist zum großen Teil staatsgemacht. Wegen der leeren Kassen entläßt nämlich derzeit vor allem der öffentliche Sektor; besonders betroffen ist hierbei das Gesundheitswesen.
In der vergangenen Woche legte die Regierung Aho neben dem Sanierungskonzept für die Banken auf Drängen der sozialdemokratischen Opposition auch ein „Programm zur Stimulation der Wirtschaft“ vor – eigentlich ein Fremdwort für Ministerpräsident Aho –, das zusätzliche Investitionen im öffentlichen Sektor, vor allem bei der Verkehrsinfrastruktur vorsieht. Außerdem soll es aber Steuererleichterungen für die Unternehmen geben, so daß die Investitionen über weitere Staatsverschuldung finanziert werden müssen. Die erwarteten Folgen: weiteres Sinken des Finnmarkkurses, steigende Inflation und wachsende Kaufkraftverluste für die sowieso schon hart gebeutelten FinnInnen. Reinhard Wolff
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