■ Mit Farben-Töchtern auf du und du: Rot gesprenkelt
Berlin (taz) – Die drei bundesdeutschen Chemieriesen, die in den vergangenen Jahren Milliardengewinne verbuchen konnte, sind auf dem absteigenden Ast – und das sowohl umsatzmäßig als auch bei den Gewinnen. Und dafür sind nicht, wie die Konzernherren gerne behaupten, vor allem steigende Umweltauflagen verantwortlich, sondern die weltweite Konjunkturflaute, die harte D-Mark und ein Versagen bei der Produktpolitik.
Beim Leverkusener Bayer- Konzern schrumpfte der Absatz im letzten Jahr um 2,8 Prozent auf 41,2 Milliarden Mark, bei BASF um 4,5 Prozent auf 44,5 Milliarden und bei der größten IG-Farben-Tochter Hoechst um 2,8 Prozent auf 45,9 Millarden Mark. Die Milliardengewinne waren zwar immer noch stattlich, nahmen aber um jeweils mehr als 10 Prozent ab, beim Branchenprimus Hoechst sogar um 18 Prozent.
Der Abwärtstrend 1992 ist dabei erst ein milder Vorgeschmack kommender Schrecken. BASF meldet für die ersten zwei Monate des neuen Jahres ein Umsatzminus von 17,6 Prozent, und auch Bayer hat es mit einem Minus von 11 Prozent heftig erwischt. Noch mehr Unbill droht von der Bonner Gesundheitsreform, die den Gewinnbringern der Konzerne, den Pharmasparten, arge Umsatzeinbußen beschert.
BASF schreibt Umsatzverluste und sogar rote Zahlen vor allem in den Sparten Agrarchemie und Kunststoffproduktion – beides Bereiche, die in der öffentlichen Wahrnehmung nicht gerade zum positiven Image der Industrie beigetragen haben. Beim Kunstdünger glaubten die Ludwigshafener vor einigen Jahren endlich eine Quasi-Monopolstellung erreicht zu haben. Durch die neue Konkurrenz aus Osteuropa ist auf diesem Markt nun kein Geld mehr zu verdienen. Auch Bayer hat Probleme mit der Agrarchemie. Wegen des Strukturwandels im Pestizidgeschäft sackte der Ertrag um 21 Prozent ab. Bayer, einst weltgrößter Produzent von Pestiziden, ist inzwischen weltweit nur noch Nummer fünf.
Daß Manager den Unbillen des Marktes nicht gänzlich hilflos ausgeliefert sind, räumte BASF-Chef Jürgen Strube in den vergangenen Tagen immerhin ein. Die Schweizer und französische Großchemie hätten sich deutlich besser geschlagen. Nicht soviel Masse, dafür etwas mehr Klasse: zumindest die Schweizer hatten sich nach dem Sandoz-Unfall 1986 deutlich auf Feinchemie und aufwendige Produkte konzentriert.
Nach den schlechten Bilanzen und den vielen Unfällen kommt auch in Deutschland Bewegung in die Branche. „Die Krise ist ein produktiver Zustand“, zitierte Bayer-Chef Manfred Schneider in der vergangenen Woche Max Frisch. Die Chefs wollen dem weiteren Imageverfall durch die Unfälle und die verstockte Politik beim Branchenersten Hoechst nicht länger zusehen. Der Spiegel glaubt es sogar genau zu wissen: Die Bosse der Hoechst-Konkurrenz hätten bei der Hausbank des Frankfurter Konzerns auf einen Führungswechsel gedrungen, schrieb das Hamburger Magazin. H.-J. Tenhagen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen