: Mit Dialektik wider die Knallköpfe
■ Chasing Amy von Kevin Smith huldigt burschikos und sensibel sexuellen Freibeuterinnen
Und Gott erschuf die Frau, und aus war's mit der Ruhe im Paradies. So ähnlich muß es Banky empfinden, als sein Kumpel Holden sich in die blonde Alyssa verliebt. Holden und Banky waren nämlich ein ideales Paar, zwei Comicbuch-Autoren, die in der Underground-Szene einige Berühmtheit erlangt haben. Alyssa ist ebenfalls eine, wenn auch weniger bekannte, Comiczeichnerin und dazu Lesbe. Für Holden bricht eine Welt zusammen, als er merkt, daß Alyssa auf Frauen steht. Und er läßt sich auf das Experiment ein, sie lediglich als gute Freundin zu behandeln. Natürlich funktioniert dies nicht, und nach kurzer Irritation beginnt eine leidenschaftliche Affäre. So weit, so klischeehaft.
„Auweiha“, denkt man sich auch, als Alyssa zum ersten Mal auftaucht, fortwährend ein laszives Lächeln zur Schau trägt und mit Leder und Spitzenbody die männliche Wunschvorstellung einer verirrten Lesbe verkörpert, die doch nur ans richtige Ufer geführt werden will. Doch dann geht dieser Film erst richtig los: Chasing Amy ist eine burschikos daherkommende, jedoch unerwartet sensible Tragikomödie über Beziehungen in den Neunzigern, die – in der Theorie – ein gewandeltes Verständnis zwischen Mann und Frau voraussetzen. Was statt dessen in der Praxis passiert, gibt fortwährend Anlaß für komische Verwicklungen, die hier jedoch – anders als in den kreuzbrav-konservativen Rama-Familien Hollywoods – nicht zum Happy-End führen. Dafür aber zu einer Lektion in Sachen gegenseitiger Respekt und Toleranz, bei der Regisseur Kevin Smith, der sich in seinem ersten Film Clerks nicht durch besondere Feinfühligkeit auszeichnete, rigoros auf die Seite der Frauen schlägt – die sich den Schwanzträgern dialektisch haushoch überlegen zeigen.
Frauen sind eben die besseren Menschen, das erkannte nicht nur Faust, als Gretchen ihn himmelwärts zog. Die Rolle des Mephisto übernimmt in dieser Dreiergeschichte der eifersüchtige Banky, der über Alyssa Erkundigungen einzieht: Alyssa hat eine bewegte Vergangenheit als sexuelle Freibeuterin. Holden stellt nun sein männliches Ego über seine Liebe. Umsonst versucht Amy ihm klarzumachen, daß das Vergangene vergangen ist und nur ihre Liebe zählt. Er kapiert nix, der Knallkopf, wie im richtigen Leben. Ganz souverän bringt Kevin Smith in seinem dritten Film die Dinge auf den Punkt. Richard Linklaters Film Slackers verführte ihn zum Filmemachen, und so wird auch hier die Handlung durch Dialoge, nicht Taten, vorangetrieben. Und einmal mehr ist das Universum dieses 27jährigen Independent-Filmemachers ein sehr sympathisches, authentisch, humorvoll und offen. Deshalb sei es ihm verziehen, daß Chasing Amy im Grunde doch nur ein Buddy-Movie ist, in dem die freche Frau als Katalysator instrumentalisiert wird, um aus zwei wilden zwei handzahme Typen zu machen.
Birgit Roschy
Abaton
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen