■ Mit Carl Zeiss auf du und du: Bedrohte Existenz
Berlin (taz) – 30.000 Jenaer hatten einst einen Job bei Carl Zeiss, der traditionsreichen Optik-, Feinmechanik- und Elektronikfirma. Gerade 2.500 sind davon übriggeblieben – und viele von ihnen sind gefährdet. Die 1991 wiedervereinigten Zeiss-Betriebe im schwäbischen Oberkochen und im thüringischen Jena befinden sich laut Spiegel in einer „existenzbedrohenden Krise“. In den kommenden Monaten müßten Standorte zusammengelegt, manche Geschäftsbereiche aufgegeben und im Gesamtkonzern 2.500 Stellen gestrichen werden, sonst würden Verluste in dreistelliger Millionenhöhe drohen.
Schon bei der Vorstellung der 1993er Jahresbilanz mußte Zeiss einräumen, daß in den ostdeutschen Betrieben die Verluste höher seien als der Umsatz. Der Totalzusammenbruch der ostdeutschen Abnehmermärkte hat die Zeiss-Manager offenbar kalt erwischt. Die Betriebe im Osten seien eine schwerere Last als erwartet.
Dabei waren die westdeutschen Zeissianer ganz scharf darauf gewesen, die Mehrheit bei der ostdeutschen Schwester zu übernehmen, damit dort nicht eine Konkurrenzfirma mit fast demselben Sortiment entstehe. Zunächst hatte die Treuhand Aufsehen damit erregt, das Jenaer Kombinat dem Land Thüringen zu übereignen. Doch dann wurde – auf Anraten des Schwaben Lothar Späth – der Konzern aufgespalten: Die schwäbische Zeiss erhielt 51 Prozent der Carl Zeiss Jena GmbH, die landeseigene Jenoptik unter ihrem Chef Späth behielt 49 Prozent und zusätzlich einige ausgegliederte Betriebsteile, die die Westler nicht wollten.
Jetzt hofft die Jenaer Belegschaft wieder auf Hilfe vom Land Thüringen. Ministerpräsident Bernhard Vogel hatte letzte Woche verkündet, er bestehe auf der Einhaltung der Arbeitsplatzzusagen von Zeiss. Schließlich haben der Bund und das Land Thüringen den Versuch, das Ex-Kombinat zu sanieren, mit der gewaltigen Summe von 3,6 Milliarden Mark subventioniert. Knapp 600 Millionen Mark kamen als Mitgift von der Treuhand.
Am Donnerstag tritt zum erstenmal seit dem Krieg der Aufsichtsrat zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen. Gerüchte, daß Vorstandschef Jobst Herrmann danach seinen Sessel räumen muß, kursieren bereits. Nicola Liebert
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