Missbrauchsfälle an der Odenwaldschule: Filz verhindert Aufklärung

Ein Lehrer leitet die Mail eines Opfers an den vermeintlichen Täter weiter. Doch weil der wichtige Ämter innehat, werden Konsequenzen verzögert. Heute entscheidet die Schulkonferenz.

Odenwaldschule: Hinter der idyllischen Fassade hat sich ein Klüngel ausgebreitet. Bild: dpa

BERLIN tazKurz vor ihrem 100-jährigen Jubiläum erschüttert ein neuer Skandal die Odenwaldschule: Die Schulkonferenz wird am Dienstag entscheiden, ob sie ihren amtierenden Leiter, Reimund Bommes, absetzt.

Bommes hatte Inhalte einer Mail, die eine ehemalige Schülerin an die Schulleiterin schrieb, an einen Lehrer weitergegeben, der darin des Missbrauchs beschuldigt wird. Die Schulkonferenz hatte zunächst entschieden, den Antrag auf seine Absetzung zu vertagen, der Betriebsrat seine Kündigung verhindert. Philipp Sturz, ein Sprecher des Trägervereins der Schule, sagte der taz: "Das ist unglaublich. Es ist nicht tragbar, dass Bommes weiter als Lehrer arbeitet."

Bommes hat gleich mehrere wichtige Funktionen inne: Als Schulkonferenzleiter ist er automatisch Mitglied im Trägerverein, außerdem ist er Betriebsratsvorsitzender der Schule. Er war am Montag bis Redaktionsschluss nicht zu erreichen.

Das Jubiläum der Reformschule wird von zahlreichen Missbrauchsvorwürfen überschattet. Der ehemalige Schulleiter Gerold Becker hatte sich in den 70er- und 80er-Jahren an Schülern vergangen und sexuelle Übergriffe gedeckt. Dies ist seit 1999 bekannt, das gesamte Ausmaß wird jedoch jetzt erst deutlich. Schulleiterin Margarita Kaufmann will im Vorzeigeinternat aufklären und sich an Schüler und Lehrer gewandt.

Die ehemalige Schülerin Helga M. folgte dieser Aufforderung am 9. März. Sie schrieb von "sexuellen Übergriffen" und "körperlicher Gewalt", die sie während ihrer vierjährigen Schulzeit erfahren habe. Sie bat Kaufmann, um den "Nerv, die Kraft und die Zeit", mit ihr zu sprechen, wie ihr Anwalt Jens Jörg Hofmann der taz berichtete.

Doch Helga M.s Mail landete wegen eines Tippfehlers im Papierkorb-Ordner. Dort fischte sie der IT-Beauftragte der Schule, Reimund Bommes, heraus und leitete Inhalte auch den beschuldigten Lehrer weiter. Am 15. März stellte Kaufmann Strafanzeige gegen Bommes.

Der wandte sich laut Anwalt Hofmann an Helga M. und stellte sich als "Urheber ihrer aktuellen Befindlichkeiten vor". Er weigerte sich aber, eine freiwillige Unterlassungserklärung zu unterschreiben. Worauf der Anwalt von Helga M. ihn per Gerichtsbeschluss dazu zwang.

Die Schule hat Bommes seines Amtes als IT-Beauftragter enthoben - seine anderen Ämter aber nicht angetastet. "Diese internen Strukturen der Schule sind Teil des Problems", sagte Sturz. Eigentlich soll der Verein als Eigentümer die Schulorgane kontrollieren. Stattdessen habe jeder sich selbst kontrolliert.

Bommes ist nicht nur in der Schule aktiv, sondern auch in der Gemeinde. Für die Grüne Liste (GL) ist Bommes Stadtverordneter in Heppenheim. "Bommes steht als Stadtverordneter nicht in der Diskussion", sagte Franz Beiwinkel, GL-Magistratsmitglied, der taz.

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