piwik no script img

■ Mißbrauch von Sozialleistungen?Bewußte Irreführung

Wenn der Staatssekretär der Innenbehörde ankündigt, eine generelle erkennungsdienstliche Behandlung für Kriegsflüchtlinge einzuführen, obwohl dafür keine gesetzliche Grundlage besteht, steckt dahinter entweder Unwissenheit oder eine bewußte Irreführung der Öffentlichkeit. Letzteres dürfte zutreffen, denn offenbar geht es Jäger darum, sich mit populistischer Schaumschlägerei zu profilieren. Dies ist ihm allerdings mißglückt. Wer in einer Springer- Zeitung den Eindruck erweckt, tatkräftig gegen vermeintliche Sozialbetrüger vorzugehen, und in einer anderen einräumt, daß sich mit einer ED-Behandlung der Sozialhilfebetrug keineswegs verhindern läßt, schießt allenfalls ein Eigentor. Fatal ist jedoch, daß mit solchen Vorschlägen Stimmungsmache gegen Kriegsflüchtlinge betrieben wird, indem sie pauschal als Sozialbetrüger abgestempelt werden.

Mangels seriöser Zahlen fällt es leicht, mit dem Reizthema des Mißbrauchs von Sozialleistungen Stimmungen zu schüren. Eine europaweit einzigartige Untersuchung in Wien ergab, daß nur drei Prozent der Sozialhilfeempfänger Leistungen erschleichen. Um so bedenklicher ist es, wie hier ohne Beweise mit Zahlen jongliert wird. Die Innenbehörde geht davon aus, daß sich 20 bis 30 Prozent der Asylbewerber betrügerisch bereichern und überträgt dies auf Bürgerkriegsflüchtlinge. Ihnen unterstellt man aus dem Handgelenk, daß 10 Prozent zu Unrecht abkassieren. Diesen Schätzungen liegen Zahlen des Bundeskriminalamtes zugrunde, wonach 14 Prozent der Asylbewerber doppelt Asylanträge stellen. Auf Anfrage erklärt das BKA, daß dies allein aber noch keinen Rückschluß auf Betrugsabsichten zulasse. Es komme vor, daß Asylbewerber aus Unwissenheit doppelt Anträge stellten. Die Innenverwaltung zieht daraus mutwillig einen falschen Schluß. Dorothee Winden

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen