: Mißbrauch von PolizistInnen
■ betr.: „Menschenrechte stehen am Rande“, taz vom 14. 7. 95
Die taz berichtete: „Gegen den Besuch des chinesischen Staatspräsidenten regt sich nur geringer Protest.“ Tatsächlich wird der Protest dort, wo er sich zeigen will, von der Polizei für den Staatsgast unsichtbar gemacht.
Anläßlich des Staatsbanketts für Jiang Zemin im Brühler Schloß am 13.7.95 rief amnesty international zu einer Mahnwache auf. Die Polizei verweigerte die Aufstellung direkt am Straßenrand der Fahrtroute des Staatsgastes. Die Genehmigung wurde nur 50 Meter zurück in einer Seitenstraße erteilt, ausdrücklich mit dem Hinweis, daß von dort Sichtkontakt zum Staatsgast bestehe. Kurz bevor der Autokonvoi ankam, postierte die Polizei mehrere Polizei-Mannschaftswagen quer über die Straße, damit die knapp 100 Demonstranten für Jiang Zemin unsichtbar wurden. Selbst die absperrenden Polizeibeamten äußerten ihr Unverständnis für diese ihnen befohlene Maßnahme. Der Einsatzleiter beteuerte glaubhaft, daß die Maßnahme gegen seinen Willen – er sicherte vorher wiederholt Sichtfreiheit zu – von seinem Vorgesetzten angeordnet wurde.
Die dem demokratischen Rechtsstaat verpflichtete Polizei führte dem Staatsgast aus China vor, daß auch hier Rechte willkürlich außer Kraft gesetzt werden können. Gunter Höhn, Köln
Hans Monath schreibt, daß sich nur geringer Protest gegen den Besuch geregt hätte und wie zur Erklärung zitiert er mich mit dem Satz, der Gast sei durch das Massaker vom Tiananmen nicht persönlich belastet. So, wie es dort steht, ist das Zitat aus dem Zusammenhang gerissen und mißverständlich. Ich habe gesagt, „Auch wenn Jiang Zemin durch das Massaker vom Tiananmen nicht persönlich belastet ist und eine bessere Reputation hat als Li Peng, vertritt er dennoch in der Tibetfrage dieselbe Linie wie Li Peng.“ Deshalb war die Tibet Initiative Deutschland in Bonn präsent und ich kann nach meinen Erfahrungen nicht sagen, daß die Proteste geringer waren. [...]
Es gab nur zwei Probleme, die den Eindruck erweckt haben könnten, es habe geringere Proteste gegeben:
Jiang Zemin wurde im Gegensatz zu Li Peng von der Öffentlichkeit total abgeschirmt, so daß viele Proteste gar nicht wahrgenommen wurden. Eine Aktion der Gesellschaft für bedrohte Völker in Ludwigsburg, wo der Gast den ICE nach Bonn betreten hat oder der Tibet Initiative München zum Empfang beim bayrischen Ministerpräsidenten Stoiber wurden von starken Polizeikräften so abgeriegelt, daß Jiang Zemins Augen durch tibetische Fahnen oder ähnliches erst gar nicht beleidigt werden konnte.
Das zweite Problem waren die Medien. Proteste sind in einer Mediengesellschaft wohl erst dann solche, wenn sie auch von den Medien wahrgenommen werden. Leider haben sich im Gegensatz zum Li-Peng-Besuch viele Medien der im Kanzleramt ausgegebenen Order unterworfen und die Euphorie über die Milliardenabschlüsse in den Mittelpunkt der Berichterstattung gestellt.
Insgesamt hat der Besuch deshalb auch gezeigt, was manche Politiker von Meinungsfreiheit und Demokratie halten, wenn selbige mit Wirtschaftsinteressen kollidieren. [...] Klemens Ludwig, Vorsitzender
der Tibet Initiative Deutschland,
Essen
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