Ministerium zieht Aufklärungsbroschüre zurück: Doktorspiele sind Formulierungssache
Das Familienministerium zog eine Broschüre zur Aufklärung von Kindern zurück. Kritiker meinen die Broschüre würde zum Kindesmissbrauch ermuntern.
Jahrelang war die Broschüre viel gelesen und viel geklickt. Im Juli aber zog Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen ein Aufklärungsheft aus dem Verkehr. Der Ratgeber "Körper, Liebe, Doktorspiele" der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) enthalte unglückliche Formulierungen, ließ sie verkünden. Er werde jetzt inhaltlich und sprachlich überarbeitet. "Zurzeit vergriffen" - diese Worte auf Homepage der Bundeszentrale bemänteln einen Streit, der oft ins Ideologische abdriftete.
650.000-mal hat die BZgA die Broschüre schon abgegeben. Sie beruft sich dabei auf Umfragen: 97 Prozent der Eltern halten demnach eine Sexualerziehung schon im Kindergartenalter für notwendig. Eltern berichten, dass die meisten Zweijährigen von sich aus nach Geschlechtsunterschieden fragen. Und spätestens mit vier wollen sie wissen, wo die Babys herkommen - und welche Rolle der Vater dabei spielt. Zwar falle es, so die Gesundheitsaufklärer, den Eltern meist leicht, mit ihren Kindern über Geschlechterunterschiede, über Schwangerschaft und Geburt zu sprechen. Fragen zur Intimität Erwachsener aber seien für viele Eltern nicht einfach zu beantworten. Deshalb sei die Broschüre hilfreich.
Auch die Kritiker stellen nicht in Abrede, dass Sexualerziehung im Kindesalter sinnvoll ist. Sie stört sich aber an konkreten Formulierungen. Die Broschüre enthalte Formulierungen, die Pädophile zum Kindesmissbrauch ermutigen könnten, so der Vorwurf. Eine Kölnerin erstattete gar Anzeige gegen die BZgA.
Konkret entzündet sich die Empörung an folgender Passage: "Scheide und vor allem Klitoris erfahren kaum Beachtung durch Benennung und zärtliche Berührungen (weder seitens des Vaters noch der Mutter) und erschweren es damit für das Mädchen, Stolz auf seine Geschlechtlichkeit zu entwickeln." Das Zitat sei aus dem Zusammenhang gerissen, verteidigt sich Ina-Maria Philipps, Sexualtherapeutin und Autorin des Ratgebers. Sie wolle lediglich deutlich machen, dass Mädchen als Person Anerkennung erfahren sollen. Und Eltern ermutigen, zärtlich zu sein - solange das nicht der eigenen Erregung dient.
Auch Experten können die Aufregung nicht nachvollziehen. "Aus sexualwissenschaftlicher und sexualpädagogischer Perspektive ist an der Aufklärungsbroschüre 'Körper, Liebe, Doktorspiele' nichts auszusetzen", schrieb etwa der Kieler Sozialpädagoge Uwe Sielert. Verhaltener äußert sich die Bundeszentrale. Ihre Leiterin, Elisabeth Pott, sagte, sie wolle die Kritik bei der Überarbeitung der Broschüre berücksichtigen.
Der Fall ist durchaus typisch für die Debatten, die derzeit über kindliche Sexualität geführt werden. Dass eine - in der Tat etwas unglückliche - Formulierung eine derartige Wirkung entfacht, verweist auf einen viel tiefer gehenden Konflikt: dass bislang noch längst nicht geklärt ist, wie mit dem Geschlechtswesen Kind angemessen umgegangen wird. Und dass längst noch kein Konsens besteht, dass dies überhaupt ein Thema sein sollte.
Die Staatsanwaltschaft in Köln jedenfalls sah keinen Grund, sich dem Proteststurm anzuschließen. Es bestehe "kein Tatverdacht", verkündeten die Staatsanwälte - und stellten das Verfahren ein.
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