Minilohn in der Uniklinik: Charité zahlt Wachschutz kranke Löhne
Die Sicherheitskräfte an der Charité verdienen weniger als 6 Euro brutto pro Stunde. Dank juristischer Tricks soll der Branchen-Mindestlohn nicht gelten.
Nur 5,55 Euro pro Stunde bekommen die Beschäftigten, die das Uniklinikum Charité in Mitte bewachen. Das ergibt sich aus einem Bericht der Verwaltung von Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (SPD) für den am Mittwoch tagenden Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses. Den gleichen Mini-Lohn gibt es auch für die Sicherheitskräfte am Virchow-Klinikum im Wedding und am Benjamin-Franklin-Krankenhaus in Lichterfelde. Verdi und die Grünen fordern, dass zumindest der tarifliche Mindestlohn von 6,50 Euro gezahlt wird.
Im Jahr 2005 hatte die landeseigene Charité ein privatrechtliches Unternehmen gegründet, die Charité Facility Management GmbH (CFM), um durch die Auslagerung Kosten zu sparen. Die CFM gehört zu 51 Prozent der Charité, den Rest teilt sich ein Konsortium aus Dussmann, Vamed und Hellmann. Im Jahr 2007 hatte die CFM im Schnitt rund 2.600 Mitarbeiter - sie arbeiten unter anderem für die Verpflegung der Patienten, in der Telefonzentrale oder als Gärtner. Im Jahr 2008 sparte die Charité so 35 Millionen Euro - 24 Prozent der vorherigen Ausgaben.
In den meisten Bereichen zahlt die CFM auch Tariflohn - jedoch nicht an die Sicherheitskräfte. Auch die Gärtner verdienen laut dem Schreiben der Verwaltung nur durchschnittlich 7,84 Euro pro Stunde, obwohl das Tarifregister einen Ecklohn von mehr als 11 Euro vorsieht.
Für Anja Schillhaneck, Wissenschaftspolitikerin der Grünen, ist das ein Skandal. "Es ist empörend, dass der Senat das weiß und duldet - vor allem vor dem Hintergrund, dass die rot-rote Koalition sich sonst immer als Vorreiterin für den Mindeststundenlohn von 7,50 darstellt." Sie sieht jetzt Wissenschaftssenator Zöllner gefordert: "Er ist Vorsitzender des Aufsichtsrates der Charité, er muss dort auf den Vorstand einwirken."
Der Charité-Vorstandsvorsitzende Karl Max Einhäupl verteidigt die Bezahlung. Zwar sehe er durchaus, "dass die hier angesprochenen Stundenlöhne an der unteren Grenze des zum Lebensunterhalt Notwendigen liegen", so seine Sprecherin Claudia Peter. Ab November soll es 5,80 Euro pro Stunde für den Sicherheitsdienst geben. Eine Bezahlung in diesem Bereich sei in der Branche in Berlin üblich - da könne es die Charité "weder der Politik noch den Steuerzahlern vermitteln, in ihrer derzeitigen defizitären Situation deutlich mehr als die marktüblichen Löhne zu zahlen". Erst ab 2011 wird es 7,50 Euro geben, wenn die Charité die an die CFM ausgelagerten Dienste neu ausschreibt und bis dahin das neue Vergabegesetz in Kraft getreten ist.
Bis dahin will die CFM sich auch durch eine Allgemeinverbindlichkeit des Mindestlohn-Tarifvertrages nicht von ihrer Sparlinie abbringen. Im Juli hatten Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern festgelegt, dass bei Sicherheitsdienstleistungen in Berlin mindestens 6,50 Euro gezahlt werden müssen. Das Bundesarbeitsministerium kann festlegen, dass diese Vereinbarung für alle Unternehmen gilt.
Die CFM wird nun juristisch spitzfindig. Sie verweist darauf, dass der Mindestlohn-Tarifvertrag laut seinem Wortlaut "für alle Betriebe, die Sicherheitsdienstleistungen durchführen" gilt. Und die CFM habe ja noch andere Aufgaben als nur die Sicherheit. Nur dann, wenn die große Mehrheit der Mitarbeiter sich um Sicherheit kümmern würden, würde auch der Mindestlohn gelten. Wie viele Mitarbeiter in diesem Bereich tätig sind, soll allerdings unter Verschluss bleiben. Dazu könne man sich "aus naheliegenden Gründen" nicht äußern, so die Charité-Sprecherin.
Von diesem Trick, um den Mindestlohn auszuhebeln, hat Verdi-Landesbezirksleiterin Susanne Stumpenhusen "noch nicht gehört - das halte ich für eine ganz abenteuerliche Begründung". Dazu kündigt sie "unseren entschiedenen Widerstand an".
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