Mindestlohndebatte: SPD verdirbt der Union Weihnachten
Keine Rücksicht mehr auf den Koalitionspartner: Die Sozialdemokraten kündigen eine Unterschriftenaktion für den gesetzlichen Mindestlohn an.
BERLIN taz Die Union sehnt sich nach weihnachtlichem Frieden. Kanzlerin Angela Merkel und ihre Parteifreunde würden sich am liebsten auf der verbesserten Wirtschaftslage ausruhen und die eigenen Beliebtheitszahlen genießen. Deshalb versucht die CDU auch die politische Großoffensive zu ignorieren, die der Koalitionspartner SPD vor den Feiertagen eingeläutet hat.
Es sei "nicht so überraschend", dass die Sozialdemokraten den Mindestlohn zum Wahlkampfthema machen wollen, hieß es am Sonntag aus der CDU/CSU im Bundestag. Fraktionschef Volker Kauder sehe "keinen Grund", auf entsprechende Ankündigungen des SPD-Kollegen Peter Struck zu reagieren. Aber innerlich dürfte Kauder ein bisschen beleidigt - und ziemlich beunruhigt - sein.
Ausgerechnet Struck, mit dem sich Kauder persönlich gut versteht, machte vor dem frohen Fest deutlich, dass die SPD noch mehr als bisher mit einem Thema nerven will, bei dem die Union, allen Umfragen zufolge, eine Minderheitsposition vertritt. Man werde die Landtagswahlen Ende Januar zu "Volksabstimmungen" über Mindestlöhne machen, posaunte Struck hinaus. Weil sich die Union weigere, eine allgemeine Untergrenze von 7,50 Euro einzuführen, werde die SPD nun Unterschriftenaktionen starten, sagte der SPD-Fraktionschef und outete sich als Parteistratege, der kaum noch Rücksicht auf den Regierungspartner nimmt. Die Verteilungsfragen will er von unten bis oben durchdeklinieren: So verlangte Struck auch Gesetzesänderungen, um Managergehälter einzudämmen. Überhöhte Abfindungen sollten nicht mehr steuerlich absetzbar sein.
In Hessen soll die Unterschriftenaktion für Mindestlöhne am 2. Januar losgehen. SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti will CDU-Ministerpräsident Roland Koch mit seinen eigenen Waffen schlagen. Koch kam 1999 nach einer Unterschriftensammlung gegen die doppelte Staatsbürgerschaft ins Amt.
Auch in Niedersachsen hofft die SPD mit ihrem neuen Lieblingsthema zu punkten. Dort wirkt Regierungschef Christian Wulff leicht nervös. Der CDU-Bundesvize räumte ein, man könne nicht ignorieren, dass 22 von 27 Ländern in Europa Mindestlöhne haben. So läutet man einen politischen Rückzug ein.
Aber die CDU kann sich trösten: Auch die SPD hat Probleme. Ihre Kampagne kommt selbst im Arbeitnehmerlager keineswegs überall gut an. So sagte der Chef der Gewerkschaft Bergbau, Energie, Chemie, Hubertus Schmoldt, er halte einen einheitlichen, gesetzlichen Mindestlohn für falsch. Damit ließe sich die differenzierte Situation nicht abbilden, so Schmoldt. Stattdessen brauche es branchenbezogene Mindestlöhne.
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