: Millionen verbuddeln für 'ne Seifenblase
■ Das „Kaufhaus des Nordens“ kommt vielleicht doch nicht Von Sven-Michael Veit
Von einer „kühnen und visionären Architektur“ schwärmte Hamburgs Oberbaudirektor Egbert Kossak, Bürgermeister Henning Voscherau erhoffte sich einen „attraktiven Erlebnisraum“: Der Traum vom Kaufhaus des Nordens (Kadeno) in der Mönckebergstraße, Anfang September vorigen Jahres so überschwenglich belobhudelt, scheint sich elf Monate später als Seifenblase zu entpuppen: Ein Bauantrag ist noch immer nicht gestellt worden.
Für den Senat ist dies allerdings kein Hindernis, mal so eben einen zweistelligen Millionenbetrag zu verbuddeln: Heute beginnen die Umbauarbeiten an den Tunneln zwischen Konsummeile und Hauptbahnhof. Die müssen nämlich um ein paar Meter verlegt werden, wenn die Gestaltungsvorstellungen des Architektenduos Alsop & Störmer realisiert würden. Die beiden traditionsreichen Kaufhäuser „Kaufhof“ und „Horten“, so die ursprüngliche Planung, sollten zu einem einzigen Konsumtempel direkt am Hauptbahnhof, am Eingang zur Mönckebergstraße, verschmolzen werden. 30.000 Quadratmeter Verkaufsfläche, zwei Parkdecks und eine gläserne Fassade, die den freien Blick potentieller Konsumenten auf die wohlfeilen Waren schon von der anderen Straßenseite aus ermöglicht. Die zwischen den beiden Kaufhäusern verlaufende Straße Lange Mühren würde verkauft, privatisiert, überbaut und zur Ladenpassage umgewandelt. Wegen der neuen „vorgesetzten“ Glasfassade müßten die bisherigen Eingänge für den Tunnel zum Hauptbahnhof weichen.
Seit einem halben Jahr jedoch, seit die Investoren einen Vorbescheid von der Stadt erhalten haben, herrscht Funkstille. Zwar würde, so ließ der Kaufhof-Konzern, zu dem auch Horten gehört, verlauten, über das Projekt weiterhin „verstärkt nachgedacht“, doch geschieht dies wohl so lautlos, daß es niemand bemerkt.
Der SPD-Abgeordnete Peter Kämmerer will deshalb in einer Anfrage vom Hamburger Senat wissen, ob denn noch mit einer Verwirklichung des Konsumtempels zu rechnen sei. Zugleich bezweifelt er die angegebliche Investitionssumme von 150 Millionen Mark ebenso wie die über hundert Arbeitsplätze, die durch das Kadeno gesichert werden sollen. Außerdem, so Kämmerer, stelle sich die Frage, ob der Tunnel-Umbau vor dem Hintergrund der Spar-Diskussion zu verantworten sei, wenn nicht so ganz klar sei, ob und wann es das Kaufhaus überhaupt geben werde.
Das wird auch vom Verband des Hamburger Einzelhandels mit Skepsis betrachtet. Dieser beklagte gestern den „Strukturwandel in der Hamburger City“. Die „Übernahme von immer mehr Ladenflächen durch kapitalstarke Filialunternehmen“, so Verbands-Geschäftsführer Klaus Poetsch in einem dpa-Gespräch, habe sich in den vergangenen zwei Jahren ungebremst fortgesetzt.
„Der Hamburger Einzelhandel verliert in diesem wie im vergangenen Jahr jeweils 500 Millionen Mark Umsatz und ist wieder auf dem Niveau von 1990 angelangt“, so Poetsch. In umsatzschwachen Zeiten gehe der Trend eher zu Discount-Vertriebsformen wie Verbrauchermärkten. „Da gibt es schon einen Verdrängungswettbewerb“, erklärte Poetsch.
Der traditionelle Einzelhandel gerate dadurch in Bedrängnis. Durch steigende Mieten werde die Situation weiter verschärft. Ziel müsse es deshalb sein, den „Exodus von Unikaten“ – den weiteren Verlust kleiner und ausgefallener Einzelhandelsgeschäfte – zu verhindern.
Da käme so ein Konsumklotz wie das Kadeno gerade recht.
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