: Millionen-Poker im Arbeitsamt
Öffentliche Beschäftigung in Bremen vor dem Abgrund? Nächste Woche werden die Zahlen festgeklopft, und schon jetzt haben alle Angst. Denn der Kuchen wird kleiner, aber über die Hälfte ist schon verteilt und vom Rest wollen noch mehr essen
taz ■ Es wird eng für den zweiten Arbeitsmarkt in Bremen. Wenn am kommenden Donnerstag im Bremer Arbeitsamt die Zahlen des so genannten „Eingliederungstitels“ festgeklopft werden, könnte das für die ein oder andere Initiative das Aus bedeuten; größere Kultur- oder Sozialprojekte müssen womöglich Federn lassen.
In der Szene kursieren Zahlen, die noch keiner bestätigen mag. Die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM), derzeit rund 950 in Bremen, sollen um ein Viertel gekürzt werden. Die Eingliederungszuschüsse für ältere Arbeitnehmer sollen nicht mehr wie bisher über zwei bis fünf Jahre laufen, sondern maximal über eins. Auch bei der beruflichen Fortbildung werden starke Einschnitte erwartet. „Zumal im Hartz-Konzept die Weiterbildung eine sehr untergeordnete Rolle spielt“, erklärt der Bremer Arbeitsmarktforscher Paul M. Schröder den Überbau aus Berlin, „sozusagen als Füllmaterial für Zeiten, in denen die Arbeitslosen nicht verliehen sind“.
Im „Eingliederungstitel“ im Haushalt des Arbeitsamtes, in dem das Geld für all diese Instrumente öffentlicher Arbeitsförderung versammelt ist, klafft eine Lücke. Zwar klingt das Loch in absoluten Zahlen nicht wirklich riesig: Hat das Amt 2002 knapp 105 Millionen Euro in diesem Sektor ausgegeben, so stehen in diesem Jahr noch 98,6 Millionen zur Verfügung. Ein Grund dafür: Einen Zuschuss aus dem Bundeshaushalt soll die Bundesanstalt für Arbeit in diesem Jahr nicht bekommen – das heißt, alle Arbeitsämter müssen mit weniger Geld auskommen, Bremen auch.
Unterm Strich fehlen also knapp 6,5 Millionen – tatsächlich aber ist es viel mehr. „Unser Handlungsspielraum ist im Vergleich zum Vorjahr um 22 Prozent reduziert“, so umschreibt es Karl Papst, Haushaltsexperte des Arbeitsamtes. Denn das Gros des Geldes ist bereits gebunden. Durch Maßnahmen, die in den Vorjahren begonnen haben, und durch Verbindlichkeiten, die das Arbeitsamt bereits eingegangen ist. Nur noch 39 Millionen sind „ungebunden“, so heißt es im Amtsdeutsch, also frei zu verwenden. Daraus müssen aber auch die neuen Instrumente der Hartz-Gesetze finanziert werden, beispielsweise die Personal-Service-Agenturen, kurz PSA, das sind Leiharbeiter-Vermittlungen unter amtlicher Ägide. IhreEinrichtung in den kommenden Monaten wird ein bis zwei Millionen Euro kosten.
„Die Spielräume für neue Maßnahmen sind in der Tat wesentlich geringer“, sagt Helga Ziegert. Die SPD-Bürgerschaftsabgeordnete und DGB-Vorsitzende sitzt im Verwaltungsausschussdes Arbeitsamts, in dem öffentliche Hand, Arbeitnehmer und -geber gemeinsam die Amtspolitik festlegen. Dass der Topf für ABM weiter schrumpft, ist für den Arbeitsmarktforscher Paul Schröder nicht überraschend. Er verweist auf andere Arbeitsamts bezirke, die in Sachen öffentlicher Beschäftigung bereits deutlich weniger auf ABM setzten.
Das betont auch Peter Härtl, zuständiger Abteilungsleiter im Arbeits- und Sozialressort, der aber auch noch nicht konkret werden mag. Nur soviel: Im gesamten Bereich des Landesarbeitsamts Hannover – dazu zählen 22 Arbeitsämter, auch Bremen – habe im vergangenen Jahr der ABM-Anteil am ganzen Topf 11,5 Prozent ausgemacht, in Bremen hingegen noch 17,5 Prozent – zuviel für ein Instrument, das als nicht mehr zeitgemäß gilt.
Zeitgemäß oder nicht – Fakt ist, dass nicht nur die Beschäftigungsträger, die die Maßnahmen öffentlicher Beschäftigung organisieren und im neuen Service-Slang inzwischen „arbeitsmarktpolitische Dienstleister“ heißen, zum großen Teil auf ABM setzen. Auch viele kleine Initiativen bewältigen ihre Arbeit mit ABM-Kräften.
Noch ist die Schlacht um den Topf nicht offiziell eröffnet. Aber dass es eine Schlacht mit schmerzhaften Folgen wird, scheint allen klar. Petra Reinhardt vom Verband Bremer Beschäftigungsträger hat die „große Befürchtung, dass es hier nicht um Integration, sondern um Ausgrenzung“ geht. Denn „wenn die Instrumente dermaßen schrumpfen“, bringt Reinhardt die Sorgen ihrer Kollegen auf den Punkt, „wo bleibt denn dann noch die Möglichkeit, Menschen mit Vermittlungshindernissen zu integrieren?“
Susanne Gieffers