Millionär über Hartz IV: "Man muss nicht alles besitzen"
Der Millionär Karl Rabeder will künftig nur noch mit 1.000 Euro im Monat auskommen. Er sagt, Hartz-IV-Empfänger sollten ihr Glück nicht mehr von der Politik bestimmen lassen.
taz: Herr Rabeder, Sie sind noch Millionär?
Karl Rabeder: Nein. Von meinem Besitz ist schon einiges weg. Nämlich sechs Segelflugzeuge. Jetzt will ich mich noch von meinem Haus in Südfrankreich und der Villa in Tirol trennen. Und mit tausend Euro im Monat auskommen.
Warum machen Sie das?
Weil sich das gut anfühlt. Jetzt lerne ich die wirkliche Bedeutung von Geld kennen. Früher hatte es nur den Sinn des Gebundenseins.
Daher machen Sie jetzt einen Abenteuerurlaub in die Armut?
Nein. Seit fünf Jahren versuche ich schon, so zu leben. Nicht ärmer, sondern mit weniger materiellem Besitz. Statt Geld stehen Werte wie Menschlichkeit, Natürlichkeit und Spiritualität im Vordergrund. Sie haben mehr mit dem echten Leben zu tun als der Kontostand.
Mit 32 Jahren war der Österreicher bereits Millionär. 2004 verkaufte er seine Firma, danach seine Segelflugzeuge. Nun will Rabeder sein Ferienhaus in Südfrankreich verkaufen und seine Villa in Telfs/Tirol verlosen. Ein Los kostet 99 Euro. Der Erlös kommt der gemeinnützigen Organisation MyMicroCredit zugute. Nähere Informationen unter: www.mymicrocredit.org und www.luxusvillatirol.at.
Und wenn Sie keine Lust mehr haben, kehren Sie einfach wieder zu Ihrem alten Leben zurück?
Eher unwahrscheinlich. Vielleicht kommen Zweifel, vielleicht auch die Glückseligkeit, ich weiß es nicht. Man muss nicht alles besitzen, um etwas tun zu können. Segelfliegen kann ich auch im Verein. Falls ich mal Schwierigkeiten habe, ist immer jemand da, der mir hilft.
Wie kam dieser Sinneswandel?
Das ist kein Sinneswandel, vielmehr ein Prozess des zwanzigjährigen Leidens. Ich bin Dingen nachgelaufen, nur weil sie möglich waren. Dabei war ich nicht ich selbst. Während eines Urlaubs auf Hawaii wurde mir das bewusst. Meine frühere Frau und ich hatten uns nur das Teuerste gegönnt. Wir hatten das Gefühl, das Geld nur sinnlos auszugeben. Glücklich waren wir nicht.
Und das war Ihnen früher nie bewusst?
Nein, denn da war ich noch ein Verfechter des neoliberalen Wirtschaftssystems. Jetzt besitze ich wenig und fühle ich mich freier. Die Beziehungen zu Freunden sind intensiver geworden. Und auch ich möchte einen guten Kontakt zu mir selbst. Mit Hilfe von Energie. Eine Energieform ist Geld. Wichtiger sind Lebensenergie, Lebensfreude und Lebensglück. Aber Lebensgeld gibt es interessanterweise keines. Außerdem kenne ich nur wenige Reiche, die wirklich glücklich sind. Und viele Arme, die es sind. Weil sie das Leben wunderbar finden.
Eine kitschige Vorstellung!
Nein, gerade in Entwicklungsländern sind die Menschen froh, dass sie überhaupt leben. Sie haben so wenig und erfreuen sich an den einfachsten Sachen. Warum immer dieses Höher, Weiter, Schneller und Mächtiger? Tiefe innere Werte sind viel wichtiger.
Damit kann man in Deutschland kaum seine Miete bezahlen. Vor allem die Armen können es nicht. Gegen die wird derzeit vielfach gehetzt.
In jedem Land herrscht Armut. Doch in den meisten entwickelten Ländern wie Deutschland gibt es ein soziales Netz. Auch wenn alles schief geht, bleiben Hartz IV und eine günstige medizinische Versorgung. Selbst da fallen nur wenige durch. In den meisten Entwicklungsländern ist es genau umgekehrt. Fast jeder dort wäre über eine finanzielle und medizinische Mindestversorgung glücklich. Denn das bedeutet Überleben. Daher möchte ich dort ansetzen, wo es gar kein Sicherheitsnetz gibt, weil die Leute sonst ins Bodenlose fallen. Dabei geht es nicht nur um Hunger, Erkranken und Sterben, sondern auch um Kriminalität, Drogenhandel oder Prostitution.
Das heißt, Sie halten die aktuelle, von Guido Westerwelle befeuerte Debatte um die Hartz-IV-Regelsätze für übertrieben?
Für mich geht es nicht um die Höhe des Satzes, sondern um die der persönlichen Lebenseinstellung. Man sollte sich am Leben erfreuen und nicht das Lebensglück an einer definierten Summe festmachen. Schrecklich, dass man die Politik über die eigene Freude bestimmen lässt. Die wirksamste Politik passiert in jedem selbst.
Je nachdem, welche Werte vermittelt werden?
Wenn sich Eltern in einer materialistischen Spirale befinden, kommen ihre Kinder nur schwer heraus. Werbung und Industrie tun das Übrige. Aber man ist nicht mehr wert, wenn man irgendwelchen Trends folgt. Der Mensch selbst ist wertvoll, egal wie die Schale ausschaut.
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