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Asien

Militärputsch in Myanmar Alte Tricks reloaded

Das Militär biegt sich seine Verfassung zurecht und schafft einen Vorwand, um Aung San Suu Kyi und ihre NLD von Wahlen ausschließen zu können.

Von DB

von DB

„Möglicher Wahlbetrug!“ Und: „Millionenfache Fehler auf den Wählerlisten!“ Mit diesen Vorwürfen nach den Parlamentswahlen vom 8. November 2020 haben die Militärs jetzt ihren Putsch begründet. Sie behaupten, auf den Listen seien dieselben Namen mehrfach aufgetaucht. Auch die Nummern von Identitätskarten der Wähler hätten sich wiederholt. Für diese Behauptung lieferte die Armee allerdings keine Beweise. Die Wahlkommission wies die Vorwürfe denn auch zurück.

Myanmars Wahlsystem ist nicht perfekt, aber es ist in der Lage, Betrug in größerem Stil zu verhindern. Am Wahltag haben Tausende von Schullehrer:innen in den Wahllokalen die Stimmabgabe kontrolliert. Um bei den Wahlen zu betrügen, hätte eine Person von einem Wahlkreis zum anderen fahren müssen, obwohl die Regierung die Bewegungsfreiheit eingeschränkt hatte. Auch hätte ein Betrüger die nicht abwaschbare Markierungstinte vom Finger abbekommen und dann auch noch die Kontrollen der Mitarbeiter:innen in den Wahllokalen umgehen müssen.

Allerdings: Die regierende Nationale Liga für Demokratie (NLD) genoss während des Wahlkampfes gegenüber den anderen Parteien ihren Amtsbonus. Unter dem Deckmantel individueller Spender umging sie auch Regeln zur Wahlkampffinanzierung. Und NLD-Kandidaten nutzten die Gelegen- heit, um sich bei Covid-Hilfsprogram- men der Regierung als Helfer zu inszenieren, was ihnen in der Öffentlichkeit zugutekam.

Eine weitere unangenehme Wahrheit: Die offizielle Wahlkommission (UEC) stand der NLD nahe und verletzte einige demokratische Regeln: So blockierte sie etwa zunächst eine Gruppe von Wahlbeobachtern, um sie dann doch zuzulassen – zu spät, um eine umfangreiche Überwachung sicherzustellen.

Doch begründete das Militär seinen Putsch mit dem schwammig formulierten Paragrafen 417 der Verfassung. Der erlaubt dem Oberbefehlshaber, die volle politische Kontrolle zu übernehmen, wenn die Union oder die nationale Solidarität „zerfallen“ oder wenn Myanmar wegen „Versuchen, die Souveränität des Staates durch Aufruhr, Gewalt oder andere falsche Gewaltmethoden“ zu übernehmen, gefährdet sei. Diese Machtübernahme durch den Armeechef muss allerdings der Präsident anordnen.

Das führt zu der Frage, ob der Putsch, wie von der Armee behauptet, verfassungsmäßig war. Denn unmittelbar bevor die Armee den Notstand ausrief, setzte sie die Staatsrätin und faktische Regierungschefin Aung San Suu Kyi, den Präsidenten Win Myint und den Vizepräsidenten Henry Van Thio fest. Das verhinderte, dass die drei NLD-Politiker:innen ihre Ämter ausüben konnten. Erst so wurde der vom Militär ernannte Vizepräsident Myint Shwe zum amtierenden Staatschef. Er übertrug dann flugs die absolute Macht an Oberbefehlshaber Min Aung Hlaing.

Erst durch illegale Festnahmen konnte der Putsch als verfassungsgemäß verklärt werden

Bald erklärte Juntachef Min Aung Hlaing dann öffentlich, die Untersuchung der Wählerlisten habe begonnen und die Verantwortlichen für den Wahlbetrug würden bestraft. Eine unabhängige Untersuchung scheint dabei nicht vorgesehen zu sein. Es sieht ganz so aus, als ob das Militär nun nachträglich Be- weise herbeischaffen will, um seine Vorwürfe zu rechtfertigen – ein Szenario, das in autoritären Staaten üblich ist, wo Diktatoren politische Gegner unterdrücken.

Viele bezweifeln, dass die sogenannte Untersuchung der Wählerlisten fair und objektiv sein wird. Manche Exper- ten vermuten gar, die Militärs werden neue Anschuldigungen produzieren, um Aung San Suu Kyi und Win Myint vor Gericht anklagen zu können. So wird Aung San Suu Kyi schon jetzt vorgeworfen, illegal Funkgeräte importiert zu haben. Und Präsident Win Myint verstieß angeblich gegen Coronaregeln.

General Min Aung Hlaing versprach inzwischen Wahlen nach einem einjährigen Notstand und dass er selbstverständlich die Macht an die Siegerpartei abtreten werde. Wenig überraschend können die angeblichen Straftaten von Aung San Suu Kyi und Win Myint mit Haftstrafen von bis zu drei Jahren geahndet werden. Das heißt: Sie werden von Richtern unter der Aufsicht von Min Aung Hlaing verurteilt, da er die Gewal- tenteilung aufgehoben hat. Dann dürfen die beiden als Vorbestrafte bei den kommenden Wahlen nicht antreten.

Nicht minder beunruhigend sind die Razzien in NLD-Büros, bei denen Polizisten interne Dokumente und Festplatten beschlagnahmten. Obwohl es dafür noch etwas früh ist, könnte man zu dem Schluss kommen, dass die NLD ganz von den Wahlen ausgeschlossen werden soll.

Für die NLD wiederholen sich damit zwei Ereignisse aus dunkler Vergangenheit: 1990 wurde ihr Wahlsieg vom Militär für null und nichtig erklärt. Und bei der Wahl von 2010 musste sie ohne ihre Führung antreten, die noch im Gefäng- nis oder im Hausarrest saß.

Die Militärs zeigen wieder einmal, dass jeder zivile Politiker, der oder die in ein Amt gewählt wird, die Vormacht der Armee als angebliche Hüterin der Verfassung von 2008 akzeptieren muss – einer Verfassung, die auf undemokratische Weise entstanden ist.