: Mieterverdrängung mit öffentlichen Mitteln
■ Nach einem geheimen Entwurf der Investitionsbank sollen Mieten bei öffentlich geförderter Sanierung explodieren
Die soziale Stadterneuerung soll die Mieter künftig teuer zu stehen kommen. Dies geht aus einem Entwurf von „Richtlinien über die Förderung von Instandsetzungsmaßnahmen“ (InstRL 1997) der Investitionsbank Berlin (IBB) hervor. In diesem noch als „Geheimpapier“ gehandelten Entwurf, der der taz vorliegt, soll mit der bisherigen Form der öffentlichen Sanierung von Wohnraum aufgeräumt werden.
So sollen zum Beispiel künftig nur noch Instandsetzungsmaßnahmen gefördert werden. Sämtliche Modernisierungsmaßnahmen könnten dann vom Eigentümer auf die Miete umgelegt werden. In einem Rechenbeispiel geht die IBB dabei von einem Modernisierungszuschlag von 5,39 Mark je Quadratmeter auf eine bereits bestehende Miete von 7,30 Mark/qm aus. Im Klartext: Für öffentlich geförderte Wohnungen könnten künftig 12,70 Mark/qm zuzüglich Nebenkosten bezahlt werden. Im Gegenzug soll der bisherige Anteil an Zuschüssen für die Eigentümer in zinsverbilligte Darlehen der IBB umgewandelt werden.
Zwar soll nach Angaben der IBB mit der Reform der Förderrichtlinien vor allem das Gestrüpp aus einer Vielzahl vorhandener Bestimmungen gelichtet und eine Verteilung der Fördergelder auf eine größere Anzahl von Objekten erreicht werden. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich das achtseitige Papier allerdings als ein wahrer Horrorkatalog. Eine Bindung der Miete sowie ein Belegungsrecht für die Bezirke soll es künftig nicht mehr geben. Statt dessen soll sich der Eigentümer lediglich dazu verpflichten, für die Dauer von dreißig Jahren auf eine Kündigung wegen Eigenbedarfs zu verzichten. Darüber hinaus sollen künftig die Bezirke und die Sanierungsträger keinen Einfluß mehr auf die Vergabe der Fördermittel haben. Wo die städtebaulichen Prioritäten zu setzen sind, soll dann allein die Sache der IBB sein.
Da der Richtlinienentwurf bislang nicht offiziell vorgelegt ist, herrscht im Hause des Bausenators, der die neuen Richtlinien zusammen mit der Finanzverwaltung abstimmen muß, noch Funkstille. Ebenfalls „vertraulich“ ist eine Stellungnahme des Sanierungsträgers S.T.E.R.N., wie die IBB eine Tochter der Landesbank Berlin. Angesichts „fehlender Miet- und Belegungsbindungen“, heißt es da, „stellt sich die Frage nach dem Sinn der öffentlichen Förderung. Für welchen Gegenwert?“
In das gleiche Horn blasen auch die Bündnisgrünen. Der Entwurf habe mit sozialer Stadterneuerung nichts mehr zu tun, sagte Fraktionssprecher Matthias Tang. Man müsse sich vielmehr fragen, wer da überhaupt noch gefördert werden solle. Der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Hartmann Vetter, erklärte, daß die Instandsetzung, die nun mit öffentlichen Mitteln gefördert werden soll, die Pflicht eines jeden Hausbesitzers sei. Vetter kritisierte weiter, daß der Entwurf eine „Abkehr von der behutsamen Stadterneuerung ist und zur Rausmodernisierung der Mieter führt“. Uwe Rada
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