Mietenpolitik: Sozialwohnungen sollen teurer werden
Der Senat plant eine Novelle des Wohnraumgesetz. Dagegen gibt es massiven Protest des Mietervereins und der Hausbesitzer.
Endlich Schluss machen mit den teuren Mieten im sozialen Wohnungsbau: Das will Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) mit dem sogenannten Wohnraumgesetz. Einen ersten Entwurf, der der taz vorliegt, schickte sie im Juli an die Mieter- und Eigentümerverbände. Nun lehnt der Berliner Mieterverein den Entwurf wegen "schwerwiegender Mängel" ab.
Anlass für das Gesetz waren die Erfahrungen im Fanny-Hensel-Kiez unweit des Potsdamer Platzes. Dort führte der 2003 vom rot-roten Senat beschlossene Ausstieg aus der Anschlussförderung im sozialen Wohnungsbau zu teilweise horrenden Mietsteigerungen. Der Grund: Anders als bei normalen Wohnungen gilt bei Sozialwohnungen nicht der Mietspiegel, sondern die sogenannte Kostenmiete. Die wiederum ist deshalb so hoch, weil der Senat in der Vergangenheit die Differenz zwischen der Sozialmiete und der tatsächlichen Kostenmiete übernahm. Je teurer die Investoren bauten, desto mehr Geld konnten sie einstreichen. Den Ausstieg des Senats aus der Förderung haben viele Eigentümer nun an die Mieter weitergegeben. Für 28.000 Wohnungen können die Eigentümer seitdem die volle Kostenmiete verlangen.
Mit dem Wohnraumgesetz will der Senat nun die Kostenmiete abschaffen und die Sozialwohnungen in das Vergleichsmietensystem überführen. Nur: Für jene Häuser, die vom Wegfall der Anschlussförderung bereits betroffen sind, soll das Gesetz nicht gelten. Hier sieht der Entwurf lediglich vor, die bisher dreimonatige Sonderkündigungsfrist auf sechs Monate zu verlängern.
"Damit werden die Häuser aus dem Gesetz ausgenommen, wegen denen es auf den Weg gebracht wurde", ärgert sich der Geschäftsführer des Mietervereins, Reiner Wild. Aber auch das Vorhaben Junge-Reyers, die restlichen Sozialwohnungen auf ein Preisniveau von 90 Prozent des Mietspiegels heranzuführen, hält er für problematisch. "Schon jetzt liegen 37 Prozent der Sozialwohnungen in Berlin deutlich über dem Mietspiegel. Für diese Wohnungen wäre das Gesetz keine Verbesserung."
Tatsächlich sieht der Entwurf für diese Wohnungen nur einen Mietenstop vor. Der soll so lange gelten, bis der Mietspiegel deren Niveau erreicht hat. Eine Senkung der Miete ist nicht vorgesehen. Dafür aber können die Mieten derjenigen Wohnungen erhöht werden, die derzeit noch deutlich unter dem Mietspiegel liegen. Für Wild ist der Mietspiegel deshalb kein Allheilmittel. "Wenn ich den Mietspiegel für eine Neubauwohnung aus den 90er Jahren heranziehe, bin ich trotz des Abschlags von 10 Prozent schnell bei 7,50 Euro netto kalt", so Wild. "Was ist denn daran noch eine Sozialmiete?"
Der Mieterverein schlägt in seiner Stellungnahme zum Wohnraumgesetz deshalb eine "politische Richtsatzmiete" für Sozialwohnungen vor, die im Mietspiegel eine eigene Kategorie werden soll. "Damit koppeln wir die Sozialwohnungen vom Mietspiegel ab, der ja durch die hohen Neuvermietungen die Mieten nach oben treibt."
Kritik am Entwurf der Stadtentwicklungssenatorin kommt nicht nur vom Mieterverein, sonder auch von den Grünen. "Auch mit einem Wohnraumgesetz muss der Senat für die Begrenzung der Mieten bezahlen", sagt der baupolitische Sprecher der Grünen, Andreas Otto. "Ohne Verhandlungen mit den Eigentümern geht das nicht."
Tatsächlich kommt der Senat den Hausbesitzern im Gesetzentwurf entgegen. Wer die Förderung, die er beim Bau erhalten hat, vorzeitig zurückzahlt, darf jede frei werdende Wohnung künftig frei vermieten. Zusätzlich soll es bei der Rückzahlung einen Abschlag von 10 Prozent der Fördersumme geben.
Den Hausbesitzern ist das nicht genug. So lehnt der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen BBU den Entwurf ebenfalls ab. Das Gesetz sei ein tiefer Eingriff in bestehende Förderverträge. Auf die Berliner Justiz könnte also eine neue Klagewelle zurollen.
Ob das Wohnraumgesetz überhaupt noch in dieser Legislaturperiode in Kraft tritt? Die Opposition bezweifelt es. "Das wird ein Desaster wie beim Klimaschutzgesetz", sagt Otto. Junge-Reyers Sprecher Matthias Gille ist aber optimistisch. "Bis November gibt es einen Senatsbeschluss, zu Ostern ist alles unter Dach und Fach."
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