: Micky for Parlaments-Präsident!
■ Gestern morgen in der Bürgerschaft: Dr. Dieter Klink meets Walt Disney / For good or for nothing?
Unberührt von den amerikanischen Umtrieben in der Bürgerschaft floriert der Blumenmarkt. Hostessen hängen wie Bienen an ihren zu führenden Fremdentrauben. Drinnen saugt Dr. Dieter Klink heftig einen letzten Zug aus seinem Zigarillo, weil er gleich die Hände frei haben muß für die böse Königin. Die ihm natürlich nicht nach der Macht trachtet, sondern eine kleine Abordnung der großen weiten Welt anführen wird: „Walt Disney's World On Ice“, zur Zeit in der Stadthalle mit der Schtory of Schneewittchen, featuring Micky Maus. Dies ist das zweite Mal, daß die städtische Politprominenz Disney meets. Am Montag hatte Frau Ute Wedemeier erst Schneewittchen und ein Zwergenkonsortium vom Hauptbahnhof abgeholt.
Die Frage, ob er was von Disney kennt, bringt Dr. Dieter Klink nur kurz in Verlegenheit. Sind das nicht so kleine Filme? War das nicht erst nach seiner
Jugendzeit? Muß er das also überhaupt wissen? Der Pressesprecher der Stadthalle versteht auch die an ihn gestellte Frage nicht wirklich, ob das schwierig war, den Präsidenten der Bürgerschaft für diesen doch eher hohnepipeligen Fototermin zu gewinnen. Nein, wieso? Schließlich war Dr. Dieter Klink nicht immer Präsident der Bürgerschaft, sondern vorher auch mal Geschäftsführer der Stadthalle und weiß schon von daher, wie wichtig öffentliche Relations sind. Außerdem kann er englisch.
Und da kommen sie die Treppe hoch, kein unflotter Dreier: die maßstabsgetreue böse Königin in bösem bischofslila, überdimen
sional Micky Maus als Micky Maus und Sneezy als ein Zwerg von sieben - der mit der Schnupfnase und den Triefaugen. Die Fotografen gehen in Positur. Natürlich muß Dr. Dieter Klink ungefähr in die Mitte und kommt neben Sneezy zu stehen, was ein bißchen unvorsichtig ist.
„How many figures“ sie mitgebracht habe, will er von der lieblich lächelnden bösen Königin wissen. Naja, sieben Zwerge eben. Und Micky Maus. Und noch ein paar andere, die sie aber nicht mitgebracht hat. Dafür hat sie noch einen Korb voller lieber Äpfel - „from Germany“, aber ungewaschen
-wie im wirklichen Märchen dabei und reicht
einen davon Klink. „Der Apfel der Versuchung“, versucht dieser aufgeräumt der Lage gerecht zu werden, ist aber im falschen Stück gelandet. Dieser Apfel hier soll ja eigentlich vergiftet sein. Das ist Klink jetzt ein bißchen peinlich und er macht sich an Micky Maus und Sneezy ran, die aber beide nichts sagen dürfen; nur winken und trippeln und den Finger unter die Nase halten (Sneezy) oder vor den Mund (Micky). Würden sie selbst reden, erklärt der Stadthallenmann, würde ja eventuell zur Figur Unpassendes dabei rauskommen. Weil: Micky Maus sei eben Micky Maus. Das glaub‘ ich nicht. Claudia Kohlhas
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