: Merkle-Verteidiger für Freispruch
In dem Parteispendenprozeß erklären die Verteidiger alle Taten fürverjährt ■ Aus Stuttgart Erwin Single
Freispruch für den wegen fortgesetzter Steuerhinterziehung angeklagten früheren Bosch-Chef Hans Merkle haben die Verteidiger gestern im Stuttgarter Parteispendenprozeß beantragt.
In ihrem Plädoyer legten die Anwälte dar, bei dem Merkle von der Staatsanwaltschaft unterstellten „Gesamtvorsatz“ der Straftat handle es sich um ein „juristisches Phantasieprodukt“. Nach Auffassung der Verteidigung läßt sich weder der Fortsetzungszusammenhang der dem Ex-Manager zur Last gelegten Steuerhinterziehung noch die Vorsätzlichkeit der Tat halten. Verteidiger Eberhard Wahle erklärte, die Beweisaufnahme habe die „ganz unbestimmte Rechtslage“ der Parteienfinanzierung über Berufsverbände untermauert. Die Grenze der Steuerabzugsfähigkeit von Zahlungen über Berufsverbände an politische Parteien sei auf Grund jahrzehntelanger Defizite des Gesetzgebers im Unklaren geblieben; die Finanzverwaltung habe dafür gesorgt, die „Rechtslage unbestimmt zu halten“.
Da sich nach Auffassung der Verteidiger der Tatbestand auf die Jahre 1971 bis 79 reduziert, erachten sie den gesamten Anklagevorwurf ohnehin als verjährt. In der 1977 erhobenen Anklage wird Merkle beschuldigt, zwischen 1971 und 1981 knapp 6,4 Mio. D-Mark an Mitgliedsbeiträgen an die als Spendenwaschanlage fungierende Fördergesellschaft zu Unrecht als Betriebsausgaben deklariert und dabei rund 4 Mio. D-Mark an Steuern hinterzogen zu haben. Die Staatsanwaltschaft hatte für Merkle eine Geldstrafe von 600.000 D-Mark gefordert.
Der Staatsanwalt Schmid mußte sich von den Verteidigern vorwerfen lassen, die Anklagebehörde habe durch ihr Ermittlungsverfahren und Prozeßverhalten die Aufklärung des Falls beeinträchtigt und die Verteidigungsmöglichkeiten Merkles erheblich eingeschränkt. Wären der Verteidigung die lange Zeit unbekannten CDU-Präsidiumsprotokolle zugänlich gewesen, hätte sie „die Ausflüchte der Zeugen Filbinger und Späth nicht durchgehen lassen“.
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