Merkel-Besuchsland Nigeria: Afrikas Megamarkt ist nicht blöd
Angela Merkel wagt sich nach Nigeria – in ein Land mit miserablem Image und hervorragenden Zukunftsaussichten. Das eröffnet Chancen für deutsche Exporteure.
ABUJA taz | Ein größeres Negativimage als Nigeria hat wohl kaum ein afrikanisches Land. Nigeria, das steht für Korruption, für Entführungen ausländischer Mitarbeiter der großen Öl-Multis im Nigerdelta sowie für massive Ausschreitungen zwischen Christen und Muslimen im Norden des Landes, die gerne als "Kampf der Religionen" dargestellt werden. Zusammengenommen also ziemlich abschreckend.
Dagegen will Bundeskanzlerin Angela Merkel nun etwas tun und fleißig die Werbetrommel rühren. Zum ersten Mal besucht sie ab Mittwochabend den westafrikanischen Riesen und hält am Tag darauf mit Präsident Goodluck Jonathan (Peoples Democratic Party, PDP) eine Rede zum Auftakt des deutsch-nigerianischen Wirtschaftsforums. Die Veranstaltung, die abwechselnd in Deutschland und Nigeria stattfindet, soll zeigen: In Nigeria ist für deutsche Unternehmen viel drin.
Davon sind Wirtschaftsexperten schon lange überzeugt. Der erste Grund ist ziemlich banal, denn bereits jetzt lebt statistisch gesehen jeder sechste Afrikaner in Nigeria, Tendenz steigend: Die Vereinten Nationen schätzen, dass sich die derzeit 150 Millionen Einwohner Nigerias in den kommenden Jahrzehnten vervielfachen und bis 2100 daraus 730 Millionen Menschen werden.
Zum Auftakt ihrer Afrikareise hat Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstag Kenia verstärkte deutsche Investitionen in Aussicht gestellt. Es werde gemeinsame deutsch-kenianische Investitionen in Infrastruktur geben, vor allem die geplante neue Ölpipeline aus Südsudan zum kenianischen Hafen Lamu und der Ausbau dieses Hafens, sagte Präsident Mwai Kibaki nach seinem Treffen mit Merkel. Premierminister Raila Odinga erklärte, Deutschland werde verstärkt in Energie, Verkehr und Umwelt in Kenia investieren. Die deutsche Botschafterin in Kenia, Margit Hellwig-Boette, sagte, Kenia habe "viel" dafür getan, dass Südsudan eine unabhängige Nation werde, und "das ist sehr wichtig". Bevor Merkel in Nigeria eintrifft, besucht sie noch das südwestafrikanische Angola. (taz)
Nigeria ist damit ein riesiger Markt, der durch die wachsende Mittelschicht in der Megastadt Lagos, in der Hauptstadt Abuja und in weiteren Millionenstädten für den Export von Konsumgütern noch attraktiver werden dürfte.
8 Prozent Wirtschaftswachstum
Auf das steigende Wirtschaftswachstum nach Jahrzehnten der Krise ist man auch in Nigeria selbst mächtig stolz. Gerade verkündete das statistische Amt erste Prognosen für das Jahr 2011: Nach einem Anstieg des Bruttoinlandsproduktes von 7,85 Prozent im vergangenen Jahr soll nun eine Steigerung von 7,98 Prozent erreicht werden. In erster Linie dafür verantwortlich sind die Preissteigerungen auf den Ölmärkten. An Bedeutung gewinnen mittlerweile aber auch der Banken- und der Telekommunikationssektor.
Trotzdem bleibt Nigeria unberechenbar. Positive Zahlen auf dem Papier sind das eine, die politische Entwicklung in den einzelnen Bundesstaaten, in denen viel Korruption herrscht und Gouverneure mit viel Macht ausgestattet sind, das andere. Da diese erst vor knapp drei Monaten gewählt wurden, ist eine Prognose derzeit so gut wie unmöglich.
Dass sie einen großen Einfluss haben, davon ist Bernhard Vester, Unternehmensberater und Vorstandsmitglied im Bund der Katholischen Unternehmer (BKU), überzeugt. "In Lagos sehen wir eine positive Entwicklung, für die Gouverneur Babatunde Fashola viel getan hat", sagt Vester, der mehrmals pro Jahr nach Nigeria reist und Mikrofinanzunternehmen berät.
Lagos blüht auf
Afrikas größte Mega-City Lagos, einst als Moloch verschrien, wird heute von jedem Taxifahrer gelobt. Kilometerlange Staus und ständige Stromausfälle gibt es zwar immer noch, aber innerhalb der vergangenen vier Jahre ist Lagos freundlicher und grüner geworden. Die einst so gefürchteten Area-Boys, jugendliche Wegelagerer, die an jeder Straßenecke lauerten, haben in verschiedenen staatlichen Programmen eine Ausbildung erhalten. Die Beruhigung der Sicherheitslage tut auch dem wirtschaftlichen Klima gut.
Als positiv könnte sich auch die Arbeit der Economic and Financial Crimes Commission (EFCC) herausstellen. Nach den Wahlen im April scheint die staatliche Antikorruptionskommission, die vergangenes Jahr sehr zahm wirkte, nun verstärkt durchzugreifen und ermittelte unter anderem gegen führende Politiker und Banken-Bosse.
Die Frage, ob Schmiergelder gezahlt werden müssen, um überhaupt auf dem nigerianischen Markt Fuß fassen zu können, ist wohl für ausländische Unternehmer eine der dringlichsten. "Das ist nicht notwendig, wenn man direkt an der Basis aktiv ist", schätzt Vester ein. Unter Umständen müsse man dann aber auch das ein oder andere Projekt sausen lassen.
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