■ Mercedes muß im Osteuropageschäft durch dubiose Machenschaften von Mitarbeitern und Vertragshändlern immense Verluste hinnehmen. Sie schoben die georderten Fahrzeuge, statt sie etwa in Rumänien anzumelden, lukrativ nach Asien weiter.: Wie
Mercedes muß im Osteuropageschäft durch dubiose Machenschaften von Mitarbeitern und Vertragshändlern immense Verluste hinnehmen. Sie schoben die georderten Fahrzeuge, statt sie etwa in Rumänien anzumelden, lukrativ nach Asien weiter.
Wie ein gut geschmiertes Getriebe
Er galt in der Chefetage als „der größte Mercedes-Verkäufer aller Zeiten“. Doch Dieter Fink, ehemaliger Mercedes-Verkaufsleiter in Osteuropa, sorgte für einen der größten Skandale in der Firmengeschichte des Automobilkonzerns. Mit Autoverschiebereien schädigte er den Konzern in Höhe von 20 Millionen Mark. Nun entpuppen sich die Machenschaften Finks als die Spitze eines Eisberges. Mercedes-Benz muß im Osteuropageschäft durch Betrügereien von Mitarbeitern und Vertragspartnern immense Millionenverluste hinnehmen. Im Strudel der Ermittlungen ist auch ein alter Bekannter aus der Tennis-Szene: Ex-Boris- Becker-Manager Ion Tiriac. Ihm gehört die rumänische Mercedes- Niederlassung „Auto Rom“.
Die noble Mercedes-Zentrale in Stuttgart-Möhringen versucht derzeit alles, um die Vorwürfe zu entkräften. Journalisten und Insider haben nämlich hochgerechnet, daß sich der Schaden in den Jahren 1991 bis 1994 auf die enorme Summe von einer halben Milliarde Mark addiert.
Viele Vertretungen in Osteuropa sind pleite
Allein die Außenstände aus den Generalvertretungen des ehemaligen Ostblocks sollen sich auf mehrere hundert Millionen Mark belaufen. Doch was vielen schwäbischen Unternehmern schlaflose Nächte bereiten würde, versucht Mercedes-Pressesprecher Detlef May als „Panikmache“ zu entkräften. Zwar gibt May zu, daß Mercedes-Benz 450 Millionen Mark Außenstände aus Osteuropa habe. Doch von dieser Riesensumme könnten lediglich 50 Millionen Mark als „gefährdet angesehen werden“.
Ein Blick hinter die Kulissen der Mercedes-Niederlassungen in Warschau, Kiew oder Prag offenbaren eine andere Wahrheit. Viele Generalvertretungen in Osteuropa haben offenbar abgewirtschaftet, sie sind nahezu pleite. Allein die polnische Generalvertretung steht in Stuttgart mit 60 Millionen Mark in der Kreide, die Forderungen an die tschechische Vertretung belaufen sich auf 30 Millionen Mark. Nach ZDF-Angaben sollen allein im Jahr 1993 weltweit 20.000 Nobelkarossen mit dem „guten Stern“ über dubiose Graumarktgeschäfte verschoben worden sein, der Verlust für Mercedes beträgt 200 Millionen Mark.
In großer Stückzahl lukrativer abgesetzt
Die Grauimporte funktionierten über Jahre hinweg wie ein gut geschmiertes Mercedes-Getriebe. Das Stuttgarter Unternehmen lieferte an seine Vertragshändler in Osteuropa Fahrzeuge zu besonders günstigen Konditionen. Doch die Händler leiteten die Nobelkarossen in großer Stückzahl auf den wesentlich lukrativeren asiatischen Markt um. In Japan oder Taiwan liegen die Preise für Mercedes wesentlich höher als in Osteuropa. Bei diesem Deal erzielten die Autoschieber locker Gewinnspannen zwischen 10.000 und 50.000 Mark. Die Stuttgarter Zentrale wunderte sich in dieser Zeit, daß die offiziellen Mercedeshändler in Asien ihre Fahrzeuge immer schlechter an den Mann brachten.
Zweiter Trick: Die osteuropäischen Vertragshändler fälschten Aufträge, stornierten diese wieder und kamen über diesen illegalen Umweg an verbilligte Fahrzeuge. Die Rabattnachlässe betrugen bis zu 50 Prozent. Im Zusammenspiel mit eingeweihten Graumarkthändlern konnten die Fahrzeuge dann mit einer tollen Gewinnspanne weiterverkauft werden.
„Wir lassen Geschäftsbeziehungen ruhen“
In die Geschäfte scheint auch die Firma von Ion Tiriac verwickelt zu sein. Nur die wenigsten Autos, die Tiriacs Unternehmen orderte, wurden auch in Rumänien zugelassen. Ein ehemaliger Mitarbeiter beschuldigt den rumänischen Selfmade-Mann, eine Vielzahl von Mercedes-Karossen über Umwege ebenfalls ins lukrative Asien verschoben zu haben. Die Graumarktgeschäfte sind dabei über Tiriacs Vertrauensmann in Stuttgart, Ingo Kröner, und über den Tübinger Hemdenhersteller Andreas Ackel gelaufen.
Die Mercedes-Zentrale ist auf die beiden Tiriac-Kompagnons nicht mehr gut zu sprechen. „Es gibt Ungereimtheiten, deshalb lassen wir die Geschäftsbeziehungen ruhen“, erklärt Pressesprecher May. Tiriac selbst versucht seine Hände in Unschuld zu waschen. Von den dubiosen Machenschaften will er nichts gewußt haben. Diese Äußerung ruft bei Insidern aber nur Kopfschütteln hervor (siehe unten).
Das chaotische Osteuropageschäft wirft aber auch ein bezeichnendes Licht auf die Möhringer Konzernzentrale. „Da müssen einige Sicherungen nicht funktioniert haben“, weiß ein Insider zu berichten. Schon seit Jahren hagelt es immer wieder Vorwürfe, die hochbezahlten Manager hätten den Überblick über den Konzernmulti verloren.
Daimler-Konzern auf Schlingerkurs
Nachdem der frühere Daimler- Benz-Chef Edzard Reuter den Automobilkonzern in seiner Amtszeit in einen „Technologiemulti“ umgewandelt hatte, knirscht es beträchtlich im Managementgetriebe. Die Daimler- Benz-Töchter AEG und DASA schreiben seit Jahren rote Zahlen, insgesamt kostete Reuters Einkaufstour in den achtziger Jahren das Unternehmen rund acht Milliarden Mark. Viele Mercedes-Manager beklagten sich seinerzeit bitterlich darüber, daß sich Reuter zu wenig um das Autogeschäft kümmere.
Sein Nachfolger Jürgen Schrempp versucht seit seinem Amtsantritt Ende Mai energisch gegenzusteuern. In den vornehmen Chefzimmern der Zentrale mußten in den ersten Wochen rund 200 Mitarbeiter ihren Hut nehmen. Die Verwaltungsspitze wurde fast halbiert. Außerdem verdonnerte der Daimler-Boss zahlreiche Abteilungen dazu, endlich wieder Gewinne einzufahren. Denn nicht nur wegen des Osteuropageschäfts ist der Daimler- Konzern wieder auf Schlingerkurs geraten. Erst vor einer Woche mußte Schrempp eine Hiobsbotschaft verkünden. In diesem Jahr wird Daimler-Benz voraussichtlich Verluste von weit über einer Milliarde Mark einfahren. Damit schließt das Unternehmen erstmals in der Nachkriegsgeschichte ein Geschäftsjahr mit Verlusten ab. Es sieht so aus, als ob Deutschlands größter Konzern wieder einmal in einer Krise steckt. Rainer Frick
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