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Menschenrechtsprozess in ArgentinienEx-Juntachef Bignone vor Gericht

Reynaldo Bignone, der letzte Chef der Militärjunta in Argentinien, steht vor Gericht. Er soll Folter und Entführungen befohlen haben und für das "Verwindenlassen" von Regimegegnern verantwortlich sein.

Reynaldo Bignone (links) war 1982-83 Chef der Militärjunta. Bild: dpa

BUENOS AIRES reuters | Der ehemalige argentinische Präsident Reynaldo Bignone steht seit Montag wegen Menschenrechtsverletzungen vor Gericht. Der Ex-General soll für Entführungen, Folter und die Ermordung von 56 Menschen verantwortlich sein. Mit ihm angeklagt sind sechs Ex-Offiziere und ein ehemaliger Polizist. Alle Angeklagten sind über achtzig.

Die Beschuldigten sollen Folter durch Schläge und simuliertes Ertrinken - das sogenannte Waterboarding - angeordnet haben. Laut Anklage ließen sie in der berüchtigten Kaserne Campo de Mayo auch Gefangene durch Stromschläge hinrichten. Ihnen droht lebenslange Haft.

Der Prozess begann am Montag vor Hunderten Zuschauern in einer eigens dafür umgebauten Fußball-Halle in einem Außenbezirk von Buenos Aires. Die Anhörung der mehr als 130 Zeugen soll kommende Woche beginnen. Mehr als dreihundert Personen waren in den Gerichtssaal gekommen, um den Prozess zu verfolgen. Angehörige von "Verschwundenen", von getöteten Regimekritikern, hielten Portraits der Vermissten in den Händen.

Bignone war der letzte von vier Machthabern während der siebenjährigen Militärdiktatur und herrschte von 1982 bis 1983. Dann musste er die Macht an den frei gewählten Präsidenten Raúl Alfonsín abgeben. Eine schwere Wirtschaftskrise und die Niederlage im Krieg um die Falkland-Inseln gegen Großbritannien hatten die Junta zur Aufgabe gezwungen.

Während der Militärherrschaft sind nach offiziellen Angaben mehr als 11.000 Regierungsgegner getötet worden oder spurlos verschwunden. Menschenrechtsgruppen beziffern die Zahl sogar auf 30.000.

Die Aufarbeitung der Verbrechen wurde jahrelang blockiert, denn ein Großteil der Verantwortlichen war durch Amnestiegesetze geschützt. Im Jahr 2003 hat das argentinische Parlament zwei Amnestie-Gesetze aufgehoben. Seitdem sind zahlreiche Militärs und Polizisten zu Haftstrafen verurteilt worden.

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