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Menschenrechte in KubaDissident stirbt nach Hungerstreik

Nach 86 Tagen im Hungerstreik ist Orlando Zapata Tamayo am Dienstag in Havanna verstorben. Der 2003 in Folge von Protesten Inhaftierte protestierte gegen seine Haftbedingungen.

Wegen "Nichtachtung der Figur des Kommandanten" wurde Zapata Tamayo zu 36 Jahren Haft verurteilt. Bild: ap

BERLIN taz | Geduldig, freundlich und bescheiden waren drei Charaktereigenschaften von Orlando Zapata Tamayo. Auf den wenigen Bildern der kubanischen "Versammlung zur Förderung der Zivilgesellschaft" ist der gelernte Klempner stets hinter den Führungsfiguren Martha Beatriz Roque Cabello und Félix Bonne Carcassés zu sehen.

Am Dienstag ist der 42-Jährige nach 86 Tagen Hungerstreik gegen die Haftbedingungen und für das Recht auf das Tragen weißer Kleidung statt der Häftlingsuniform in Havanna verstorben.

In die kubanische Hauptstadt war der Häftling, der seit dem 20. März 2003 in Haft saß, aufgrund seines schlechten Gesundheitszustands transportiert worden. Dort verstarb er am Dienstagabend, wie seine Mutter Reina Luisa Tamayo in einem Video auf YouTube berichtet. Sie wirft den kubanischen Verantwortlichen vor, ihren Sohn "vorsätzlich ermordet und gefoltert" zu haben.

Es war nicht der erste Hungerstreik, mit dem Orlando Zapato Tamayo gegen die Verhältnisse in Kuba protestierte. Mitte März 2003 gehörte er zu den Aktivisten, die für die Freilassung des Dissidenten Óscar Elías Biscet in den Hungerstreik getreten waren. Die Aktion wurde wenige Tage später, am 20. März, abrupt beendet.

Alle Beteiligten wurden damals verhaftet und Orlando Zapata Tamayo wurde zu einer Haftstrafe von drei Jahren wegen "Nichtachtung der Figur des Kommandanten (Fidel Castro)" verurteilt. So steht es auf der Homepage des Proyecto Varela, das sich für eine Verfassungsreform per Referendum und einen friedlichen Wandel in Kuba engagiert. Für das Proyecto hat der in Santiago de Cuba geborene Mann ebenfalls gearbeitet und Unterschriften für den friedlichen Wandel in Kuba gesammelt.

Dieser Einsatz und die unnachgiebige Haltung im Gefängnis von Holguín, wo Orlando Zapata Tamayo einsaß, haben ihm weitere Verurteilungen eingebracht. 36 Jahre Haft lautet das Strafmaß für den Mann, den Amnesty International zum Gewissensgefangenen erklärte. Nun ist er tot und nach dem Studentenführer Pedro Luis Boitel der zweite Häftling im nachrevolutionären Kuba, der nach einem Hungerstreik verstarb.

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6 Kommentare

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  • DH
    Dr.Klaus Heine

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    Es verdient eine höhere Aufmerksamkeit, wenn Vorgänge um Verurteilung,Tod/Ermordung des Menschen Orlando Zapata Tamayo erst auf Umwegen in den Medienberichten erfahrbar sind. Kaum überprüfbar sind unterschiedliche

    Darstellungen zur Kriminalität der beschriebenen Menschen oder ihrer ungewünschten Meinungsäußerung, die in Diktaturen schon zu Freiheitsentzug und Folter führen. Der Glorienschein um Dauerhelden wie Dr.Ernesto Che Guevara und die Revolution gegen den

    Erz-Kapitalistenfeind USA, der ja ebenfalls den Heiligenschein des Weltverbesserers für sich beansprucht und ihm nie bisher gerecht wurde, darf sicherlich nicht darüber hinwegtäuschen, daß Kommu-

    nismus bisher auch nie in Einklang mit Freiheit,

    Gleichheit, Brüderlichkeit realisiert wurde, wie in Frankreich ebenso nicht. :-((

    Menschen sind halt' so. Schlecht,dumm,faul,gefräßig und asozial. :-))

  • A
    Anna

    Habe schon überlegt ob mein letzter Kommentar der TAZ-Zensur zum Opfer gefallen, ist. Ich hatte ähnliche Quellen wie Josie Michel-Brüning gefunden, da ich die Meldung über Zapata Tamayo auch wenig glaubwürdig fand. Ist hier aber nicht erschienen, ist ja vielleicht auch nur verloren gegangen, wenn jetzt doch ein kritischer Kommentar erscheint, ist es nicht ganz so schlimm, wie ich dachte.

    Warum übernimmt die Taz so kritiklos Berichte, wo es im Internet so einfach ist, Gegendarstellungen zu finden, die nachprüfbar und logischer sind. Bitte, liebe Taz, schreibt auch die Stellungnahmen dazu, der Leser kann ja dann selbst entscheiden was er glauben will oder logischer findet.

  • JM
    Josie Michel-Brüning

    "Wem nützt dieser Tod?" unter diesem Titel ist die Stellungnahme vom 27.02. in der Granma des Essayisten Enrique Ubieta Gomez zu dem Fall nachzulesen.

    Ubieta berichtet dagegen, dass die kriminelle Karriere von Zapata Tamayo bereits 1988 begann, 1993 habe er wegen „Gewalt im häuslichen Bereich“ vor Gericht gestanden, 2000 weil der Bürger Leonardo Simón von seinem Schlag mit der Machete eine „lineare Schädelfraktur“ davongetragen habe, mehrfach auch wegen Betrugs und Störung der öffentlichen Ordnung. Am 9. März 2003 sei er auf Bewährung entlassen, aber schon am 20. März wegen erneuter Straftat festgenommen und zu 3 Jahren Haft verurteilt worden. Diese Strafe habe sich „im Laufe der folgenden Jahre verlängert aufgrund seines aggressiven Verhaltens im Gefängnis“.

    Auf der 2003 von der UN-Menschenrechtskommission ausgearbeiteten Liste sei sein Name nicht erschienen, „auch wenn das die spanische Nachrichtenagentur EFE behauptet, ohne die Quellen und Fakten zu überprüfen,“ auch wenn „seine erneute Festnahme zeitlich mit der Festnahme jener zusammenfällt.“ Wenn aber eine politische Absicht vorgelegen hätte, „hätte man ihn nicht 11 Tage vor jener Aktion freigelassen.“ Einerseits habe man die größtmögliche Zahl von möglichen oder wirklichen Glaubensbrüdern in den Reihen der Konterrevolution präsentieren wollen, andererseits „lockten Zapato Tamayo die materiellen Vorteile, die eine von ausländischen Botschaften genährte ‚Militanz’ mit sich bringt und so nahm er das Profil eines ‚politischen’ Gefangenen an, als er bereits auf eine umfangreiche kriminelle Biographie zurückblicken konnte.“ Er sei von seinen „politischen Mentoren“ zu den Hungerstreiks ermutigt worden. „In den verschiedenen Krankenhäusern seien „keine Kosten bei der Behandlung gescheut“ worden. „Er wurde künstlich ernährt. Die Familie wurde über jeden Schritt informiert. Sein Leben wurde durch künstliche Beatmung noch Tage lang verlängert. Darüber gibt es dokumentierte Beweise.“

    Natürlich wusste Kuba, wie man den Tod eines seiner Häftlinge ausschlachten würde und tat alles, um ihn vor dem Hungertod zu bewahren.

    Nachdem man aber in jedem europäischen Land hin und wieder Fällen der Verletzung der Prinzipien der Ethik begegne, wie z.B. dem der Iren, die in den achtziger Jahren „inmitten der Gleichgültigkeit der Politiker“ gestorben seien, fragt Ubierta da nicht zu Recht? „Warum gibt es Machthaber, die dem erklärten Verrat, der ungerechten Verbannung, die die fünf Kubaner in den Vereinigten Staaten von Amerika erleiden müssen, die gegen den Terrorismus gekämpft haben, aus dem Weg gehen und die sich sputen, Kuba zu verurteilen, um unter dem Druck der Medien dessen politische Vorstellungen in Gefahr zu bringen? Kuba hat dazu bereits einmal gesagt: Wir können es allen Söldnern und ihren Familien übermitteln, wir wollen unsere Helden zurück haben. Niemals wird man politische Erpressung gegen die kubanische Revolution verwenden können."

    Warum berichtet die taz nicht über die Cuban Five, die seit über 11 Jahren in US-Gefängnissen inhaftiert gehalten und andenen mehrfach Menschenmrechtsverletzungen begangen wurden?

  • LC
    Lester Cano Alvarez

    Meine Meinung habe ich hier (http://lestercanoalvarez.wordpress.com/2010/02/26/orlando-zapata-tamayo/) geschrieben.

    Endlich hat man bei der taz die Nachricht gedrückt...

  • MM
    Mister Maso

    Mein aufrichtiges Beileid gilt der Familie und Freunden dieses tapferen Mannes, der unermüdlich für die Menschenrechte eingetreten und dem sozialistischen Unrechtsregime die Stirn geboten hat. Möge sein Einsatz nicht vergebens sein!

     

    http://www.amnesty.de/umleitung/2007/deu03/072?lang=de%26mimetype%3dtext%2fhtml

  • IN
    Ihr Name Jorge Luis Garcia Vazquez

    Kuba ist ein demokratiefeindliches Land, wo die Verteidiger der Menschenrechte systematisch bestraft und kriminalisiert werden. Raul Castro hat genau gewußt dass Zapata Tamayo sterben kann und der General lie͜ß den schwarzen Dissidenten sterben genauso wie damals Fidel Castro Pedro Luis Boitel sterben ließ.Am 23.2 war der Botschafter der Republik Kuba in Bremen und wurde dort vom Bürgermeister empfagen. Über Menschenrechte wurde dort sicherlich nicht gesprochen.

    Gregor Gysi war in Kuba vorige Woche: Kein Wort über die politischen Gefangenen. Die Linke schweigt dazu. Die pro-Castro Organisation "Cuba Si" war auf der Buchmesse in Havanna: kein Buch, kein Wort über die Verletzungen der Menschenrechte. Warum darf die kubanische Opposition nicht die Rechte haben die Partei Die Linke in Deutschland hat? Warum schweigen die meisten deutschen Intellektuellen und Politiker? Wieviele kubaner müssen noch sterben, inhaftiert und zusammengeschlagen werden? Worauf warten die deutschen Gewerkschaften und die demokratischen Institutionen? Ist die Illusion: "kubanische Revolution" noch nicht zu Ende?

    Jorge L. García Vazquez

    kuban.Menschenrechtsaktivist

    Berlin