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Mengistus Regime in ÄthiopienDer „rote Kaiser“

■ Völkermordprozesse laufen seit 1994

Megistu Haile Mariam regierte Äthiopien von 1977 bis 1991. Er war einer der linksradikalen Militärs, die 1974 das äthiopische Kaiserreich unter Haile Selassie stürzten und eine Militärjunta namens „Derg“ etablierten. Inmitten regimeinterner Machtkämpfe ergriff Mengistu 1977 die Macht. Eine Allianz eritreischer und äthiopischer Rebellen stürzte den „roten Kaiser“ 1991.

Die seitdem herrschende Regierung hat gegen das frühere Mengistu-Regime die weltweit größten Völkermordprozesse eingeleitet. Beim Prozessauftakt am 13. Dezember 1994 gab es 5.198 Angeklagte, davon 2.200 inhaftiert. Die Anklageschrift war 296 Seiten lang, die Prozessakten umfassten 309.215 Seiten – zumeist Originaldokumente des Derg. Die Vorwürfe reichen von Entführungen und Mord bis zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord. Die Gesamtzahl der Opfer des Mengistu-Regimes – Hungersnöte und Zwangsumsiedlungen von 1984 bis 1985 eingerechnet – wird auf bis zu 2,5 Millionen Menschen geschätzt. Im Einzelnen soll der „rote Terror“ in der Hauptstadt Addis Abeba, mit dem Mengistu 1977–78 seine Macht etablierte, 10.000 Menschenleben gekostet haben; die Zahl der politischen Morde zwischen 1974 und 1978 wird auf 50.000 bis 150.000 geschätzt. Die Prozesse, die seit der Eröffnung nur schleppend vorankommen, gliedern sich in zwei Stränge: einmal eine Prozessserie gegen 66 Exmitglieder des Derg, von denen 46 in Haft sind und 20 flüchtig, darunter Mengistu. Die restlichen Prozesse betreffen ehemalige Soldaten und Beamte.

In den Derg-Prozessen fielen die ersten beiden Urteile erst am 10. und 17. November 1999. Leutnant Gtachew Terba, einst Distriktleiter von Lasta in der Provinz Wollo, wurde für Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Tode verurteilt. Er hatte 1977 und 1978 fünf „Konterrevolutionäre“ hinrichten und ihre Leichen öffentlich zur Schau stellen lassen. Das zweite Todesurteil fiel über Leutnant Kebede Keberet wegen Völkermordes. Der Distriktleiter von Yiju Awraja, ebenfalls Provinz Wollo, hatte 17 „Konterrevolutionäre“ hinrichten und die Leichen in ein Massengrab werfen lassen.

Mengistu hat alle Vorwürfe immer zurückgewiesen. Aus dem Exil sagte er bei der Eröffnung des Prozesses gegen ihn 1994 in einem BBC-Interview: „Die Tötungen waren unvermeidbar.“ Dominic Johnson

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