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■ MeinungHaste mal tausend Mark?

Es war einmal, da war die entwicklungspolitische Szene in Berlin (West) klar geordnet und überschaubar, so wie die Mauer, die damals noch stand. Jetzt ist die Mauer weg und Berlin Hauptstadt. Weg sind damit auch die erschwinglichen Mieten, die Nestwärme und die Übersicht. Vor allem den kleineren Solidaritätsgruppen bläst der metropolitane Wind nun kräftig ins Gesicht: Der Mangel an billigem Büroraum wird für viele existenzbedrohend. Etablierte Institutionen, die sowieso schon am Staatstropf hängen, mobilisieren ihre Lobby, und schon sprudeln die Gelder kräftiger. Für die anderen heißt es „bitte zusammenrücken“. Aus dieser Not entstand die Idee eines gemeinsamen Hauses für mehrere Gruppen – ein Haus für Menschenrechte und Entwicklung. So ein prestigeträchtiges Objekt erweckte bei den Branche-Riesen Interesse. Wer würde schließlich Organisationen wie der Welthungerhilfe oder terre des hommes die entwicklungspolitische Kompetenz und damit das Anrecht auf ein nettes Büro in diesem Zentrum absprechen wollen? Na also! Da wird die Nähe zu den kleinen Gruppen betont, da sitzt man gern in der ersten Reihe der Aspiranten auf staatliche Beihilfe.

Dafür geben sie dann an anderer Stelle großzügig Nachhilfe in Sachen Staatsknete für die jungen Gruppen aus dem Osten der Republik. Für die, die noch auf der Suche nach einem eigenständigen Organisationsprofil sind und mit auslaufenden ABM- Stellen sorgenvoll in die Zukunft blicken, ist der Hinweis auf eventuelle EG-Zuschüsse mit Planungszeiträumen von zwei Jahren eher deprimierend als hilfreich. Beim Klappern mit der Spendendose dagegen hört die Freundschaft auf. Der Berliner Spendenkuchen ist seit dem Mauerfall nicht wesentlich größer geworden. Mit dem Hauptstadt-Beschluß gewachsen ist die Zahl der offenen Hände und wohltätigen Kontonummern aus Westdeutschland. In bewährter Manier sahnen die bundesweit aktiven Organisationen der Entwicklungshilfe auch in Berlin ab: Teure Werbeaktionen in der U- Bahn, ein Lob vom Bundespräsidenten zum Welternährungstag und präzis plazierte Kontonummern zu Katastrophenberichten im Fernsehen; da ist der Erfolg mit dem Elend der „Dritten Welt“ garantiert. Den anderen Gruppen, die den Großteil der Berliner Zweidrittelwelt-Szene ausmachen, bleiben Groschenbeträge. Wer Basisarbeit und Solidarität ernst nimmt, dem ist ein mitfühlender Händedruck gewiß, aber viel mehr auch nicht. Jan Baranowski

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