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Archiv-Artikel

„Mein Ja zum Irakkrieg war falsch“

Die USA sollten direkt mit Iran verhandeln und wirtschaftliche Hilfen anbieten, fordert der US-Präsidentschaftskandidat John Edwards. Nur so könnte man das Atomprogramm stoppen und Irans Präsident Ahmadinedschad schwächen

taz: Herr Edwards, in einer Rede in Herzliya (Israel) haben Sie kürzlich gewarnt, der Iran werde nicht nachgeben. Die bisherige UN-Resolution reiche nicht. Man müsse zeigen, dass die Welt nicht nachgeben werde. Sie verlangten politische und wirtschaftliche Sanktionen. Iran dürfe auf gar keinen Fall eine Nuklearmacht werden.

John Edwards: Also, alle Optionen müssen auf den Tisch. Denn: Iran hat einen radikalen Führer, dessen Position derzeit keineswegs gefestigt ist. Die politische Elite und die religiösen Führer entfernen sich allmählich von Ahmadinedschad. Zudem sind die Menschen in Iran nicht glücklich mit ihm. Das hat zwei Gründe: Erstens mögen sie seine kriegstreiberische Rhetorik nicht, und zweitens hat er nicht getan, was er vor den Wahlen versprochen hat – ökonomische Reformen, die den Armen oder auch nur der Mittelklasse helfen.

Sie glauben, dass man diese Schwäche ausnutzen kann?

Es ist eine Chance. Amerika sollte jetzt direkt mit dem Iran verhandeln, was Präsident Bush ja nicht will. Zudem müssen wir unsere europäischen Freunde dazu bringen, dass sie gemeinsam mit uns den Iranern Zuckerbrot und Peitsche hinhalten. Das Zuckerbrot ist: Wir verschaffen euch Kernbrennstoff, damit ihr ihn für zivile Zwecke nutzen könnt – und wir kontrollieren den Kernbrennstoffkreislauf. Zudem sollten wir ökonomische Unterstützung in Aussicht stellen, denn die Wirtschaft hat dort durchaus zu kämpfen. Klappt das nicht, zücken wir die Peitsche: harte Wirtschaftssanktionen, die Iran wirklich treffen. Dazu brauchen wir die Europäer, da sie die starken ökonomischen Beziehungen zu Iran haben. Außerdem müssen wir den Iranern deutlich machen, dass ihr Wohlstand davon abhängt, wie Ahmadinedschad handelt.

Ein Militärschlag kommt nicht in Frage?

Das würde doch aus dem im Lande isolierten, politisch destabilisierten Führer bloß einen Helden machen. Die Iraner würden sich um ihn scharen. Und dann würden sie zurückschlagen. Sie haben hier in den USA die Möglichkeit dazu, weil sie mit einigen terroristischen Organisationen eng verbunden sind – und sie können es natürlich im Irak tun. Im Übrigen zweifeln viele Experten ohnehin daran, dass ein Luftschlag erfolgreich sein könnte. Also bräuchten wir Bodentruppen, und wo sollten die her kommen?

Wenn Sie also gegen einen Militärschlag sind. Was soll dann heißen: Alle Optionen müssen auf den Tisch?

Es wäre dumm, wenn ein US-Präsident irgendeine Option ausschließen würde.

Könnten wir mit einem atomaren Iran leben?

Ich bin noch nicht bereit, das zu akzeptieren. Wir haben, wie gesagt, noch Möglichkeiten. Und ich frage mich schon, warum viele einen atomaren Iran hinzunehmen scheinen. Ich kann es verstehen, wenn ich George Bushs Rhetorik höre. Wenn er von allen Optionen spricht, wirkt das sehr bedrohlich. Schließlich kümmert er sich nicht um ernsthafte diplomatische Vorschläge – und das ist grundfalsch.

Also, reden wir mit Iran?

Richtig.

Bilateral?

Genau.

Das wäre immerhin eine Lehre aus den Erfahrungen im Irak. Sind weitere Invasionen ausgeschlossen? Was für Schlüsse können Sie noch ziehen?

Wir müssen viel vorsichtiger werden, schon was die Informationen der Geheimdienste angeht. Wir sollten sie künftig viel gründlicher analysieren als bisher, bevor wir Entscheidungen treffen.

Nun sind Sie ja sehr proisraelisch eingestellt. Mehrfach haben Sie betont, Iran sei eine große Bedrohung für die USA und Israel. Kürzlich erst waren Sie wieder in Israel und fühlen sich dieser Gemeinschaft immer näher, wie sie sagten. Wie schätzen Sie die Politik Israels derzeit ein, vor allem mit Blick auf die Palästinenser?

Israel ist Opfer vieler schrecklicher Attacken, es ist umgeben von Ländern, die es zerstören wollen. Ich habe die Hisbollah-Vorposten im südlichen Libanon gesehen, und ich war gerade aus Jerusalem abgereist, als 2001 der Bombenanschlag vor der Sbarro-Pizzeria verübt wurde. Das ist mir sehr nahgegangen. Ich denke, dass sich die USA im Friedensprozess stark engagieren müssen, auch wenn die Hamas an der Regierung ist. Wir sollten auf jeden Fall die Palästinenser humanitär unterstützen, denn nur so können wir die moderaten Kräfte stärken. Wir wollen schließlich zwei Staaten, die friedlich und sicher nebeneinander existieren.

Ihre Rede vor der proisraelischen Lobby-Organisation „American Israel Public Affairs Committee“ klang da etwas anders: Israel könne nicht mit einem atomaren Iran leben. Zu dieser Bedrohung dürfe es nicht kommen. Wenn Sie das ernst gemeint haben, dann …

Sie wissen, dass ein US-Präsident eine große Verantwortung trägt.

Sicher.

Also würde ich so eine ernsthafte Entscheidung nie im Voraus treffen. Wir haben unsere diplomatischen Möglichkeiten längst nicht ausgeschöpft. Das muss aber unbedingt geschehen, bevor man einen Militärschlag mit all seinen verheerenden Folgen erwägt.

Welche Kriterien sollte ein Präsident für den Einsatz von Gewalt haben?

Diese Kriterien sind ganz klar: Amerika muss unmittelbar bedroht sein oder einer unserer Verbündeten, mit dem es entsprechende vertragliche Regelungen gibt. Hier gibt es natürlich einigen Ermessensspielraum, so dass es sehr darauf ankommt, wer im Weißen Haus entscheidet. Es muss ein guter, ein verantwortungsbewusster Präsident sein, der sich der Konsequenzen seines Handelns bewusst ist.

Nehmen wir einmal an, der Irak hätte wirklich Massenvernichtungswaffen gehabt, wir hätten den Krieg besser gemanagt und könnten den Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten irgendwie vergessen – wäre der Krieg zu rechtfertigen, wäre er moralisch richtig gewesen?

Solch hypothetische Fragen sind schwer zu beantworten. Ich glaube, meine Entscheidung für den Krieg war falsch, und ich übernehme die Verantwortung dafür. Falsch war meine Zustimmung, weil ich dachte, der Irak hätte Massenvernichtungswaffen. Falsch war sie aber vor allem, weil ich George Bush die Vollmacht gab, obwohl ich ihm nicht traute. Ich befand mich in einem großen Konflikt vor der Entscheidung, den ich dadurch löste, dass ich einfach zustimmte. Heute weiß ich, dass das falsch war.

Können Sie eindeutig sagen, eine Invasion wie im Irak wegen eines Programms zum Bau von Massenvernichtungswaffen wäre ein Fehler?

Für immer und ewig …?

Im Fall des Irak …

… war es doch so: Das Instrument der Inspektionen wurde nicht erschöpfend genutzt. Wir haben doch nichts getan, um wirklich genau zu wissen, ob der Irak die Waffen hat. Wir haben die internationale Gemeinschaft nicht ernsthaft einbezogen. Vielfältige Optionen wurden nicht genutzt. Noch wichtiger ist mir, das will ich klar einräumen: Meine Entscheidung war damals falsch, nicht nur, weil es gar keine Massenvernichtungswaffen gab, sondern weil ich ausgerechnet diesem Präsidenten die Vollmacht für den Krieg gegeben habe. INTERVIEW: EZRA KLEIN

Ezra Klein führte das Interview für das US-Magazin The Prospect.Übersetzung aus dem Amerikanischen: Daniel Haufler