Mein Döner-Laden arbeitet mit der Raumfahrt zusammen – und neuerdings auch mit mir: Perfektes Plastik
AM RAND
Klaus Irler
Die Sache mit dem Mittagessen ist nicht immer einfach in gastronomieschwachen Regionen wie dem nördlichen Stadtrand. Selbst kochen ist super, kostet aber Zeit. Bei meiner Suche nach Alternativen bin ich auf einen Döner-Laden in Laufnähe gestoßen. Er hat sogar einen Mittagstisch. Über so was lacht der St. Paulianer – der Niendorfer aber sagt: Danke, dass es dich gibt.
Nun kann ich das Mittagessen nicht direkt im Laden verzehren, ich muss es mit nach Hause nehmen, damit auch Frau und Kind etwas zu essen haben. Mitnehmen geht natürlich, allerdings verpackt der Döner-Laden sein Essen in Styroporschachteln, die bei näherer Betrachtung aus der Welt der Raumfahrt kommen.
Die Schachteln sind großzügig gebaut und aus einem kapitalen Kunststoff, der meines Erachtens Feuer und Säure widersteht. Man könnte die Schachteln ohne Nachbearbeitung zum Mond schießen, die Astronauten bekämen tadellos erhaltene Frikadellen mit Bratkartoffeln. Auch den Rücktransport zur Erde würden die Schachteln überleben, selbst wenn sie dabei ein, zwei Meteoriten rammen.
Auf der Erde würden die Schachteln dann 100.000 Jahre in einer Wüste liegen, ehe sie voll erhalten von zwei Wesen entdeckt werden, die einer Post-Mensch-Spezies angehören. „Schau mal“, sagt das eine Wesen, „damit haben die Menschen ihre Astronauten auf dem Mond mit Nahrung versorgt.“ – „Komisch“, sagt das andere Wesen, „warum haben die Astronauten nicht selbst gekocht?“
Nun fehlen mir die Kontakte zum Mond, weshalb ich die Schachteln immer in den Gelben Sack stecke, der nach einem solchen Mittagessen voll ist. Und dann habe ich noch was gelesen über Plastikmüll in den Ozeanen: Einer der größten Müllteppiche, der „Great Pacific Garbage Patch“ im Nordpazifik, hat inzwischen die Größe Mitteleuropas erreicht, schreiben WWF und Naturschutzbund. Die Tiere verrecken, weil sie das Zeug fressen. Und das Plastik zerfällt in giftige Mikroteilchen. Das wissen schon alle? Mir fällt es jedesmal wieder ein, wenn ich die Mondschachteln in der Hand halte.
Beides zusammen, also der volle Mülleimer und die Plastikmüll-Meere, bewog mich zu einem ungewöhnlichen Schritt: Ich ging in den Döner-Laden und fragte, ob ich mein Essen auch in mitgebrachten Schüsseln mit nach Hause nehmen dürfte. Der Angestellte hinter dem Tresen schaute mich irritiert an. „Da muss ich den Chef fragen“, sagte er. Er holte den Chef und der Chef sagte Ja. „Aber nicht, dass unsere kleinen Kartoffeln in der großen Schüssel ganz verloren aussehen.“
Cool fände ich es, wenn ich auch noch eine brauchbare Wirtschaft in der Nähe hätte und die Energie, mein Bier von dort im offenen Krug nach Hause zu tragen. Leider habe ich diese Energie nicht. Außerdem gibt es das beste Bier in Niendorf im Supermarkt. Nun gut. Man kann nicht alles haben.
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