: Mehr Zeit zur Klage
VERJÄHRUNG Missbrauchsopfer sollen länger Zeit haben, die Täter anzuzeigen und Entschädigung einzuklagen, fordern Unionspolitiker
BERLIN taz | Die Koalition diskutiert, ob die strafrechtliche Verjährung bei sexuellem Missbrauch verlängert werden soll. Die Union ist dafür, die FDP eher skeptisch. Nur die spätere Verjährung zivilrechtlicher Ansprüche wird allgemein unterstützt. Anlass sind zahlreiche Missbrauchsfälle, die in den 1960er- und 1970er-Jahren an katholischen und anderen Schulen stattfanden, aber erst jetzt bekannt wurden.
Im Strafrecht dient die Verjährung dem Rechtsfrieden. Jahre nach einer nicht aufgeklärten Straftat soll auch wieder Gras über die Sache wachsen können. Außerdem wird so verhindert, dass die Justiz mit Verfahren belastet wird, die nur noch schwer aufgeklärt werden können.
Für sexuellen Missbrauch von Kindern gilt eine Verjährungsfrist von zehn Jahren. In besonders schweren Fällen verlängert sich die Frist auf 20 Jahre, etwa wenn der Täter in den Körper des Opfers eindringt oder wenn er sein Opfer der Gefahr schwerer Gesundheitsschäden aussetzt.
Schon seit 1994 beginnt die Verjährung für sexuellen Missbrauch erst mit der Volljährigkeit der Opfer zu laufen. So soll verhindert werden, dass zum Beispiel Kindesmissbrauch in der Familie schon verjährt ist, wenn das Opfer wagt, sich von den übergriffigen Eltern oder Verwandten zu lösen.
Bereits Mitte Februar hatte Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) vorgeschlagen, die Verjährung auf 30 Jahre zu erhöhen und die Frist erst am 21. Geburtstag des Opfers beginnen zu lassen. Der Missbrauch an einem Kind könnte so bis zu dessen 51. Geburtstag verfolgt werden. Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) hat dies unterstützt.
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) warnte, die Verlängerung der Verjährung sei „kein Allheilmittel“. Es sei sehr schwierig, Straftaten noch nach Jahrzehnten aufklären. Für Missbrauchsfälle der 1960er- und 1970er-Jahre brächte eine Verlängerung der Verjährungsfristen ohnehin nichts. Hier bliebe die Verjährung bestehen.
Für Schadensersatzansprüche gelten die Verjährungsregeln des Zivilrechts. Danach tritt am Ende des dritten Jahres nach der Tat Verjährung ein. Für Missbrauchsopfer beginnt die Frist jedoch erst an ihrem 21. Geburtstag zu laufen. Koalitionspolitiker von CDU, CSU und FDP fordern jetzt, dass Schmerzensgeld und Therapiekosten auch noch nach 30 Jahren eingeklagt werden können. CHRISTIAN RATH