piwik no script img

Mehr Schutz für Wale und VögelTod im Netz

Streit um Schweinswale: Kieler Umweltministerium will Fang mit Stellnetzen begrenzen und verspricht Imagegewinn. Fischer fürchten um ihre Betriebe.

Von Stellnetzen bedroht: Schweinswal in der Nordsee. Bild: DPA

HAMBURG taz | Das Gittermuster auf Bauch und Rücken zeigt, was dem Schweinswal den Tod brachte: Er hat sich in einem Stellnetz verfangen und ist ertrunken. Laut dem Kieler Umweltministerium ist das Ende als Beifang „die häufigste Todesursache für Schweinswale in Schleswig-Holstein“. In jedem Jahr werden an Nord und Ostsee verendete Wale angetrieben. Zuletzt gab es im Herbst 2012 Meldungen über vermehrte Totfunde. Nun will das Ministerium eine neue Küstenfischereiverordnung auf den Weg bringen, um Schweinswale und Tauchvögel besser vor dem Tod im Netz zu schützen. Protest gibt es von Fischern, die ihre Betriebe in Gefahr sehen.

Die EU verlange den Schutz der Klein-Wale, betonte Minister Robert Habeck (Grüne) am Montag. Er setzt auf die Zusammenarbeit von Fischern und Naturschutz sowie Netze mit „Pingern“, deren Geräusche Tiere verjagen. „Wenn wir das hinkriegen, können wir der Fischerei und dem Land einen Imagegewinn verschaffen“, sagte er.

Im Zentrum der Verordnung steht, die Stellnetzfischerei in einigen Regionen stark einzuschränken. So sollen Fischer in der Geltinger Bucht, um Fehmarn und am Ausgang der Kieler Förde nur von Mitte September bis Mitte November sowie von April bis Mitte Juni die Fanggeräte für Dorsch und Scholle aufstellen dürfen. In der Nordsee – in der die Schweinswalpopulation viel größer ist – sollen im bestehenden Schutzgebiet vor Sylt in einer Drei-Meilen-Zone Netze ganzjährig verboten sein.

Fischer & Wale

In der Ostsee gibt es zwei Wal-Populationen, die eine mit rund 600, die andere mit etwas über 18.000 Tieren. In schleswig-holsteinischen Gewässern sind es bis zu 2.000.

Maximal 51.000 Wale tummeln sich im deutschen Teil der Nordsee, in der gesamten Nordsee werden bis zu 300.000 Tiere gezählt.

Fischer: Von den 530 Berufs und 544 Nebenerwerbsfischern in Schleswig-Holstein arbeiten 272 haupt und 357 nebenberuflich auf der Ostsee.

Mit Stellnetzen fischen 384 Betriebe.

Zumindest ein halbes Lob gibt es vom Naturschutzbund NABU. „Der Weg, die Stellnetz-Aktivitäten zeitlich und räumlich zu begrenzen, führt in die richtige Richtung“, sagt dessen Landesgeschäftsführer Ingo Ludwichowski. Die Bemühungen müssten aber auf ein Ende der Stellnetzfischerei in Schutzgebieten hinauslaufen.

Wünschenswert sind laut NABU alternative Fangmethoden, wie sie zurzeit vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) erprobt werden. Geräusch-Abschreckung ist nur begrenzt wirksam, denn es besteht die Gefahr, dass die Tiere sich an die Pings gewöhnen oder diese wegen des Krachs von Schiffsmotoren oder Offshore-Windparks nicht hören. Weitere technische Lösungen wie reflektierende Netze, Angelmaschinen oder Fischfallen werden getestet – allerdings bisher mit geringem Erfolg.

Entsprechend äußert sich der Landesfischereiverband Schleswig-Holstein: Die Landes-Verordnung plus die EU-Schonzeit heiße „neun Monate keine Fangmöglichkeit“, hat die „Fischereiliche Notgemeinschaft“ berechnet und fürchtet: „Damit sind die Familienbetriebe existenziell gefährdet.“ Man werde gezwungen sein, gegen die Pläne zu klagen. Habeck beschwichtigt: Es werde weitere Gespräche geben. Die ersten Runden hätten bereits gute Lösungen gebracht, und er sei beeindruckt, wie ernsthaft sich Naturschützer und Fischer mit der jeweils anderen Seite auseinandergesetzt hätten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • W
    Wattendoll

    Wer die Natur, so wie die Fischer es tun, kostenlos berauben will, muss sie erhalten.

     

    Ond Wassär is ja nu genuch da. Mösst ihr eben ma'n Stück weit weiter rausfahrn, ihr Kasspär.

  • W
    Wattenrat

    Ja, der NABU macht mal wieder in betroffen...

    2012 wurden in S-H an der Westküste mindestens 132 tote Schweinswale angetrieben, parall dazu verliefen die Rammarbeiten mit über 200 Dezibel an Offshore-Wind"parks" in der Nordsee vor Borkum. Da kam nichts vom NABU. Im Gegenteil, die tollen Naturschutzverbände unter der Leitung der Deutschen Umwelthilfe (ein Spendensammleverein für die Verbände)einigten sich zusammen mit der Industrie im September 2012 in Berlin auf einen Grenzwert von 160 Dezibel, der aber nur für die Industrie, aber nicht für die Schweinswale verträglich ist. Die Stellnetze sind ein Problem, die Offshore Windenergie ein anderes. Da aber Windkraft vorgeblich "öko" ist, wird Lärmbelastung für die Meeressäuger systematisch kleingerechnet.