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Mehr Obdachlose in Ostberlin

■ Im Westteil Rückgang durch „geschütztes Marktsegment“

Die Zahl der Obdachlosen ist im Ostteil Berlins angestiegen. Waren Ende 1994 noch rund 770 Menschen betroffen, so sind es jetzt bereits 2.720. Allerdings sei der rapide Zuwachs zum Teil auf die konsequente und einheitliche statistische Erfassung der Daten seit Anfang 1995 zurückzuführen, wie die Sprecherin der Senatsverwaltung für Soziales, Rita Hermanns, sagte.

Darüber hinaus haben die städtischen Wohnungsbaugesellschaften mittlerweile ihre Buchführung auf den aktuellen Stand gebracht und klagen ausstehende Gelder häufiger gerichtlich ein, wie Hermanns betonte. Eine weitere Ursache für den Verlust der Wohnung sei die wachsende Verschuldung der privaten Haushalte.

Insgesamt leben derzeit in Berlin rund 11.100 Obdachlose in Notunterkünften sowie schätzungsweise 2.000 bis 4.000 Menschen auf der Straße. 1993 hatten allein in den Westbezirken noch 11.600 Männer, Frauen und Kinder kein eigenes Dach über den Kopf. Zu diesem Rückgang hat nach Ansicht der Sprecherin besonders das sogenannte „geschützte Marktsegment“ beigetragen. Dabei handelt es sich um einen Pool von rund 2.000 Wohnungen, die jährlich von den städtischen Gesellschaften ausschließlich für Obdachlose und von Wohnungslosigkeit Bedrohte bereitgestellt werden.

Der Berliner Senat unterhält nach Angaben von Rita Hermanns für Obdachlose derzeit ganzjährig zwei Heime mit insgesamt 88 Notübernachtungsplätzen sowie 16 Wärmestuben. Hinzu kommen mehrere betreute Wohnprojekte. Im Rahmen der Kältehilfe, das heißt nur in den Wintermonaten, finanziert die Landesregierung 29 Einrichtungen vor allem in Kirchengemeinden, in denen Obdachlose auch schlafen können.

Die Hauptverantwortung für die Versorgung der Obdachlosen liegt nach den Worten der Sprecherin jedoch in den Bezirken. Durch eine bessere Koordinierung untereinander solle in diesem Bereich in Zukunft „intelligent gespart werden“. Könne zum Beispiel Kreuzberg kein Quartier bereitstellen, so erhalte der Betroffene in einem anderen Bezirk eine Unterkunft. Die Sozialverwaltung erhoffe sich davon, daß endlich die „teuren und miserablen Läusepensionen“ aufgegeben und erstmals 1996 erhebliche Mittel eingespart werden können, sagte die Sprecherin der Sozialverwaltung. In diesem Jahr hatten die Bezirke für die Unterbringung von Obdachlosen noch insgesamt 105 Millionen Mark erhalten. ADN

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