: Mehr Markt—mehr Verkehr
■ EG will dem Kollaps mit kleinen Reformen begegnen EUROFACETTEN
Zweifellos wird mit dem Ausbau des Binnenmarkts der Verkehr innerhalb der Gemeinschaft drastisch zunehmen. Von diesem Wachstum wird der Straßenverkehr mit einer Zunahme von zwei Dritteln viel stärker betroffen sein als die anderen Verkehrsträger. Daraus ist leicht abzuleiten, daß Konflikte zwischen Straßenverkehr und Umwelt nicht mehr ignoriert werden können und somit Umweltaspekte bei Initiativen der gemeinsamen Verkehrspolitik auf dem Sektor des Binnentransports angemessen berücksichtigt werden müssen. Sicherlich ist die erwartete Zunahme des Verkehrs eine logische Folge des Binnenmarkts, wo ein freier Personenverkehr und ein ungehinderter Austausch von Gütern stattfinden sollen. Diese Tendenz ergibt sich einerseits durch eine weitgehende Arbeitsteilung und andererseits durch die Versorgung eines größeren Marktes.
Aber mit einer Liberalisierung kann auch der Verkehrsfluß effizienter gestaltet werden. In diesem Zusammenhang muß unbedingt die Anzahl der Leerfahrten der Lastwagen erheblich reduziert werden. Die positive Auswirkung einer solchen Maßnahme auf Verkehrsvolumen und Umweltbelastung ist offensichtlich, wenn man bedenkt, daß derzeit etwa im Schnitt ein Drittel aller LKWs in der EG leer fahren und die Umwelt belasten, ohne Güter zu transportieren. Daneben muß vor allem die Schiene revitalisiert werden, um das zu erwartende zusätzliche Verkehrsaufkommen rationeller und effizienter zu bewältigen. Da der Straßengüterverkehr überproportional steigt, ist der kombinierte Verkehr geeignet, die Straße zu entlasten. Auf längere Sicht bietet er die einzige Chance, das akute Transitproblem durch Österreich zu mildern.
Durch den Bau eines europäischen Hochgeschwindigkeitsnetzes für Züge werden ebenfalls entlastende Auswirkungen sowohl für die Straße als auch für den Luftraum erwartet. Zur Zeit erarbeitet — unter Leitung der EG-Kommission — eine internationale hochrangige Arbeitsgruppe, die aus Vertretern der Mitgliedsländer, der zwölf Eisenbahngesellschaften sowie der Industrie besteht, einen Bericht zu einem Generalverkehrsplan für ein europäisches Hochgeschwindigkeitsnetz. Dann müßten sich natürlich auch die Mitgliedsländer bereit erklären, auf europäischer Ebene mehr Mittel bereitzustellen. Eine ähnliche Initiative ist für den kombinierten Verkehr vorgesehen, wo eine wirksame Abhilfe gegen den drohenden Kollaps nur mehr mit einem europäischen Netz erfolgen kann.
Selbstverständlich müssen beide Netze, der Hochgeschwindigkeits- sowie der kombinierte Ladeverkehr, in die Länder ausgedehnt werden, die schon jetzt einen starken Austausch mit der EG haben oder ihn in Zukunft abwickeln. Dies heißt konkret: Einbeziehung der EFTA-Staaten und Weiterführung bis in die Länder Mittel- und Osteuropas hinein. Karel Van Miert
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