Medizinethik-Kongreß abgesagt

■ Umstrittene Veranstaltung in Bochum findet nach Protesten nicht statt

Essen (taz) - Die beiden Leiter des Zentrums für Medizinische Ethik an der Bochumer Ruhr-Universität, der Mediziner Prof. Herbert Viefhues und der Philosoph Prof. Hans Martin Sass, haben am Dienstag den für Mitte Juni geplanten Medizinethik-Kongreß abgesagt. Als Begründung führten sie die zahlreichen Proteste im Vorfeld des Kongresses an, die, so der Pressesprecher der Bochumer Uni, einen normalen Verlauf der Tagung unmöglich gemacht hätten. Zu dem Kongreß unter dem Titel „Konsensfindung und moralischer Urteilsspruch im Gesundheitswesen“, der sich mit Fragen der sogenannten Praktischen Ethik befassen sollte, waren zahlreiche WissenschaftlerInnen aus mehreren Ländern geladen.

KritikerInnen des Medizinethik-Kongresses hatten eine Blockade der Veranstaltung angekündigt und laden für den kommenden Samstag zu einer „Widerstandstagung“ im Bochumer Kulturzentrum Bahnhof Langendreer ein. Sie kritisieren die medizinethischen Forschungen von Sass, Viefhues und anderen als „tödliche Ethik“ im Gefolge der Thesen des Australiers Peter Singer. Sie werfen Wissenschaftlern wie Sass und Viefhues vor, sich als Wissenschaftler einer Kosten-Nutzen -Mentalität im gesundheitswesen zu unterwerfen, die letztlich zu Entscheidungen über „lebenswertes“ und „lebensunwertes“ Leben führt. Vor dem Hintergrund der Gen und Fortpflanzungstechnologien würden nach einer unmenschlichen „Tötungsethik“ neue Qualitätskriterien für menschliches Leben festgesetzt.

bereits im Herbst letzten Jahres hatten StudentInnen, Behindertengruppen und Graue Panther an der Duisburger Uni vehement gegen ein Seminar protestiert, in dem Professor Hartmut Kliemt die Thesen des Euthanasie-Befürworters Singer behandelt hatte. Das Seminar fand jedoch trotzdem statt, die Leitung der Duisburger Uni und Gesamthochschule verwahrte sich gegen versuche, das Lehrangebot zu „zensieren“. Daß der medizinethische Kongreß in Bochum nun abgesagt wurde, dürften seine KritikerInnen als ersten Erfolg verbuchen.

bm