Medien-Hype vor Mandelas Krankenhaus: Die Welt betet für Madiba
Das Hospital, in dem Mandela liegt, wird von Anhängern und Medien belagert. Die Privatsphäre des schwerkranken Mannes wird dabei ignoriert.
JOHANNESBURG taz | In Südafrika betet das ganze Land für „Madiba“. So wird Nelson Mandela liebevoll genannt, der als Vater der Nation verehrte, erste schwarze Präsident des Landes. Er liegt seit vergangenen Samstag schwerkrank in einem Hospital in Pretoria. Seit diese Nachricht um die Welt ging, senden auch Menschen aus allen Ländern der Erde ihre Genesungswünsche an Madiba. Sie tweeten und twittern alle paar Sekunden, darunter auch Gerüchte über sein Ableben.
Aber besonders eine Webseite des südafrikanischen Fernsehens macht es möglich, die Gedanken der Hoffnung und des Mitgefühls für den fast 95-jährige Mandela zu lesen. Eine Landkarte zeigt an, aus welchen Ländern Madiba Grussbotschaften erhalten hat – dort stecken die roten Hinweisfahnen in Norwegen, der Ukraine, Marokko, Spanien und vielen anderen Orten der Welt.
Während Mandela kürzlich erneut an einer Lungenentzündung erkrankt und über die vergangenen Tage im Krankenhaus stabilisiert worden ist, gehen täglich Besucher zu seinem Haus im Johannesburger Wohnviertel Houghton. Normalerweise lagern dort Journalisten an den Straßenrändern, die auf Neuigkeiten warten und ein- und ausgehende Besucher fotografieren. Doch in dieser Woche war es sehr ruhig vor Madibas Residenz. Bis auf die Besucher, die schon bei seinen vorherigen Krankenhausbesuchen beschriftete Steine vor sein Haus legten oder neue in die Beete stapelten, geschmückt mit bunten Blumensträußen und manchmal weht auch eine südafrikanische Fahne.
Internationale Besucher und afrikanische Migranten aus Johannesburg kamen vorbei, die dort Plakate niederlegten. Alle tragen die Botschaft der Liebe für die Ikone des Friedens, für einen herausragenden Menschen. „Tata Madiba – Thanks to you we are proud to be South African“, stand auf einem kleinen Poster mit seinem Bild. „We promise, to keep South Africa your dream.“ Das tatsächliche Ausmass der Bewunderung und der Achtung für Mandela ist nur zu erahnen.
Allerdings zeigt das Medienspektakel vor dem Ort, an dem Mandela sich befindet, wenig davon, die Privatsphäre des schwerkranken Mannes und seiner Familie zu würdigen. Das Aufgebot nationaler und internationaler Mediengruppen wächst jeden Tag. Übertragungswagen reihen sich aneinander, Kameras ziehen sich den Bordstein entlang, alle in Bereitschaft. Viele zelten dort über Nacht – und klagten über fehlende Toiletten.
Zuverlässige unbekannte Quellen
Wohnungen gegenüber des Krankenhauses sind im Handumdrehen für teures Geld vermietet worden, um einen gutes Foto zu erlangen, wenn Mandelas Angehörige ihn besuchen, oder Mandelas Zustand sich verschlechtert und Blaulicht-Wagen vorfahren. Manche internationale Fernsehcrew meldet mit angeblichem Wissen aus zuverlässigen, aber unbekannten Quellen, wie schlecht es Madiba geht und sendet das um die ganze Welt.
Die Sicherheit in und um das Krankenhaus scheint fast „wasserdicht“ - jeder Wagen der vorfährt, wird mit Bodenspiegeln untersucht, die Flure des Krankenhauses sind mit Sicherheitskräften gesäumt. Ein vor Jahren serstellter Sicherheitsplan für das Unvermeidliche wurde aktiviert. Die südafrikanische Armee ist in Alarmbereitschaft. Laut einem Bericht der südafrikanischen Zeitung Beeld seien 1.200 Soldaten Teil des Aktionsplanes für den Ernstfall. Sie sollen ihre Telefone stets anlassen und die Uniformen bereithalten.
Flughäfen sind auch vorgewarnt – etwa 2.000 Flugzeuge werden Ehrengäste aus aller Welt einfliegen. Der kleine Mthatha Flughafen nahe seines Heimatdorfes Qunu hat eine Extrahalle für VIPs erhalten. Wasser und Elektrizität ist in der sehr ländlichen Umgebung im Ostkap verbessert worden. Soldaten können jederzeit dorthin abgezogen werden. Während Präsident Jacob Zuma am Dienstag in einer Parlamentssitzung erstmals in dieser Woche verkündete, Mandela reagierte jetzt auf die Behandlung, bereitet sich Südafrika auf das Schlimmste vor.
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