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■ MediaBazaarParteienspots raus!

Wahlkampfzeit in Deutschland. Früher Abend. Blau illuminierte Wohnzimmerfenster leuchten in der Nacht. Kurz vor der „Tagesschau“ gucken sie alle noch einmal kurz rein bei ihrem Wahlvolk. Die Kohls und Scharpings und die „Five-Percenter“. Doch in einem kleinen Flecken, im Norden der Republik, bleiben ihnen die televisionären Stadttore versperrt. Die Politmarktschreier müssen weiterziehen, werden vom elektronischen Marktplatz verwiesen. Radio Bremen hat sich nach den endlosen Diskussionen um die Ausstrahlung von Parteienwerbung in deutschen Fernseh- und Hörfunkprogrammen abgeseilt. Hier wird es — ebenso wie beim Sender Freies Berlin — keine Spots politischer Parteien im Fernsehen oder Radio geben. Diese Entscheidung hat eine seltene Koalition aus Intendanz, Direktorium, Rundfunkrat und Belegschaft getragen. Die von den Parteien angelieferten Clips hält man für nicht sehr informativ, und zum Sprachrohr extremistischer Politiker wolle man sich auf keinen Fall machen.

Mit Neid werden einige der größeren ARD-Geschwister, die gerichtlich zur Ausstrahlung der unpopulären und zudem unentgoltenen Werbefilme gezwungen worden sind, den Alleingang des Senderzwerges beobachtet haben. Die gewonnene Freiheit nutzt Radio Bremen auf sehr geschickte Weise zur Eigenwerbung. Im Rahmen der Initiative „Wahlspotfreie Zone“ kommen die WahlbürgerInnen selbst auf den Bildschirm. In kurzen Spots dürfen sie in die Kulisse einer kleinen Bühne treten (die an ein Kasperletheater erinnert) und haben kurze Redezeit zum Thema „Wenn ich Abgeordnete/r wäre...“ Dann, ratsch, geht der Vorhang wieder zu. Andere Spots präsentieren Prominente und deren Motive, zur Wahl zu gehen. Marco Bode vom SV Werder, Justus Frantz oder Franca Magnani rufen die Bürger zum Urnengang und zu politischem Engagement auf.

Kuriose Randnotiz: Die abgewiesenen Parteienspots laufen jetzt in einer zusammengeschnittenen Version (im Stile der „Cannes“-Rolle), in einem Bremer Kino, präsentiert von der Zeitschrift Prinz und begleitet von einem Ratequiz und Sketchen.Gunter Becker

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