■ MediaBazaar: „Austastlücke“ von Springer zu Kirch
Der Hamburger Springer Verlag und sein Gesellschafter Leo Kirch liegen wieder einmal über Kreuz. Diesmal geht es nicht um Kirchs Allerheiligstes, das Kruzifix, sondern um das profane Alltagsgeschäft in der Medienallianz: um die „Austastlücke“ von Fernsehbildern, über die in diesem Fall der Videotext des Deutschen Sportfernsehens (DSF) übertragen wird. Redaktion, Produktion und Vermarktung des DSF-Textes wickelte bisher Springers Hamburger Verlagsabteilung „interactive media“ ab. Doch am vergangenen Donnerstag abend lösten Springer-Vorstandsvorsitzender Jürgen Richter und DSF-Geschäftsführer Dieter Hahn den Dienstleistungsvertrag auf. „Einvernehmlich“ natürlich. Der Vertrag mit Springer wird vorzeitig gelöst, das DSF sucht einen neuen Partner, und die vier nunmehr nullaktiven DSF- Text-Redakteure kommen in den anderen Videotext-Abteilungen von Springer unter.
Weit haben die Geschaßten nicht zu gehen: Neben dem DSF- Text produziert Videotext-Marktführer Springer auf demselben Stockwerk auch die Angebote von Sat.1, Viva, HH1 und Nickelodeon. Profitabler „primus inter pares“ ist der Videotext des Kanzlersenders Sat.1, der mit mehr als einer Million ZuschauerInnen täglich zehnmal so viele Kontakte erreicht wie der Ableger des Sportfernsehens, was sich logischerweise sowohl bei der Werbeakquise als auch in der redaktionellen Betreuung bemerkbar machte.
Von dem Mannschaftswechsel merken die Zuschauer vorerst nichts: Die beliebten DSF-„Wrestling Hotlines“ bleiben, wo sie sind. Der Videotext muß wider Erwarten keine Zwangspause einlegen, weil das Sportfernsehen auffallend flugs fündig geworden ist: ein Stockwerk höher in der Unterföhringer DSF-Zentrale. Dort residiert Thomas Kirchs Redaktion für den Pro7-Text, der nun für Vater Kirchs DSF tätig werden soll. Reiner Zufall oder das günstigste Angebot? „Der elektronische Bereich von Springer wird nach meiner Einschätzung weitgehend aus München gesteuert“, urteilte der Kirch-Kritiker Michael Radtke in einem taz-Interview schon zu Weihnachten 1994.M.S.
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