: McPrison Drive in Von Mathias Bröckers
Im nächsten „Freak-Brothers“- Comic, den Gerhard Seyfried gerade mit Gilbert Shelton & Paul Mavrides produziert, werden die ausgeflippten Brüder wie immer von der Polizei („Globo-Cops“) verfolgt, nur wurde diese mittlerweile ebenso privatisiert wie andere Behörden auch. Der Strafvollzug etwa wird von der Knast- Kette „McPrison“ durchgeführt. Wem diese Comic-Version der Realität zu weit hergeholt scheint, kann sich im angesehenen Wall Street Journal eines Besseren belehren lassen: Dort werden seit geraumer Zeit Aktien von US-Gefängnisunternehmen geführt.
Sie gelten in Börsenkreisen als gewinnträchtiger Aktientip: Bau und Betrieb privater Vollzugsanstalten boomen in den USA wie kaum eine andere Branche. Seit je war die Justiz der Vereinigten Staaten nicht gerade zimperlich bei der Vergabe von Haftstrafen, in der Ära von Reagan und Bush aber schraubte sich die Knastrate auf schwindelerregende Höhen: Von 100.000 Einwohnern sitzen 480 hinter Gittern. Damit ist das „Land of the Free“ weltweit Nr. 1 im Einsperren, mit weitem Abstand vor Knastnation Nr. 2, Südafrika (270), und Lichtjahre vor Deutschland, wo auf 100.000 Einwohner etwa 80 Knackis kommen.
Ein Hort der Freiheit also, verglichen mit den USA, wo der „liberale“ Bill Clinton sich langsam zum größten Knastbaumeister der Geschichte entwickelt. Hatte Ronald Reagan in seiner Amtszeit so viele Staatsschulden angehäuft wie vor ihm alle Präsidenten zusammen (siehe als Folge die aktuelle Dollarkrise), so will die Clinton-Administration mit einem Milliarden- Dollar-Programm so viele Gefängniszellen errichten wie keine Regierung zuvor. Wenn in diesem Tempo weiter abgestraft und eingelocht wird, so hat die „Libertarian Party“ unlängst ausgerechnet, sitzt in hundert Jahren die Hälfte aller Amerikaner im Gefängnis – und die andere Hälfte ist mit der Bewachung beschäftigt ...
Daß künftige „McPrison“-Filialen schnell die Anzahl von „McDonald's“-Buden erreichen könnten, dafür bürgt ein Gesetz, das einige US-Staaten jetzt bundesweit durchsetzen wollen. Titel: „Three strikes and you're out“.
Nach dieser vom Baseball entlehnten Regel sollen künftig Straftäter nach der dritten Verurteilung automatisch „lebenslänglich“ erhalten: Als 17jähriger ein Auto geklaut, mit 19 ein Ladendiebstahl, 21jährig mit zwei Unzen Marihuana erwischt – und ab in den Knast für den Rest des Lebens. Das drakonische Vorhaben findet nicht nur bei Law-and-order-Cowboys und natürlich der Lobby der privaten Gefängnis- und Security- Industrie Fürsprecher, sondern sogar bei einigen Mitgliedern der Demokratischen Partei.
Ließe sich Kriminalität mit Gefängnissen bekämpfen wie Feuer mit Wasser, müßten Verbrecher in den USA bald zu den ausgestorbenen Arten zählen. Tatsächlich wird das Gegenteil der Fall sein. Vollkommen unklar ist allerdings, wie mit dem ohnehin maroden Staatshaushalt die zu erwartende Heerschar von „Lebenslänglichen“ durchgefüttert werden soll. Hier hilft nur ein Blick in die Geschichte: Wie man es organisiert, große Teile der Bevölkerung einzusperren und daraus noch volkswirtschaftlichen Nutzen zu ziehen, darüber können sich die Verantwortlichen in den Akten des Deutschen Reichs 1933 ff. informieren.
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