: Maxhütte und Saarstahl Opfer von EG–Kompromiß
■ Stahlquoten für Walzdraht und Stabstahl von Industrieministern beendet / Andere Bereiche bekommen noch Galgenfrist bis Mitte 1988
Berlin (taz) -Bundeswirtschaftsminister Martin Bangemann konnte am Dienstag abend seine Kollegen im EG–Ministerrat zwar dazu bewegen, das europäische Stahlquotensystem, das die behördliche Festlegung von Produktionsmengen und -preisen regelt (siehe taz von gestern), nicht zum Jahresbeginn auslaufen zu lassen. Einige Stahlbereiche wurden jedoch wieder in die freie Marktwirtschaft „entlassen“, was insbesondere die Produktionspalette der Maxhütte, von Saarstahl Völklingen und vom Luxemburger Arbed–Konzern betrifft. In diesen Betrieben wird nun befürchtet, daß die kostengünstiger produzierende Konkurrenz aus anderen EG–Ländern den eigenen Absatz gefährdet. Bundesregierung und bundesdeutsche Stahlkonzerne unterstellen hier jedoch vor allem größere und EG–rechtlich umstrittene staatliche Subventionen, die es den Unternehmen aus den Partnerländern erlauben, billiger anzubieten. Die wichtigsten Stahlprodukte Warmbreitband, Quartobleche und Breitflachstahl sowie schwerer Formstahl bekommen noch eine Chance und werden vorerst von den Behörden weiter bewirtschaftet, obwohl darüber am 22. Dezember noch einmal endgültig befunden werden soll. Bis zu diesem Zeitpunkt soll eine Arbeitsgruppe der EG–Kommission nach Rücksprache mit den Unterneh men erste Größenordnungen für Stillegungen von Überkapazitäten erarbeitet haben. Großbritannien und die Niederlande, die eigentlich für die sofortige Aufgabe des Quotensystems eintraten, stimmten diesem Kompromiß gegen Abend zu. Bereits vor dem Ministertreffen hatte Bangemann aufgegeben, für die vollständige Beibehaltung des Quotensystems zu plädieren. Aus dem System fallen nunmehr Stabstahl und Walzdraht heraus, was die drei genannten Unternehmen betrifft. Das Restquotensystem läuft allerdings auch endgültig am 1.7. 1988 aus, wenn bis dahin die Unternehmen nicht von sich aus detaillierte Pläne zur Kapazitätstillegung vorlegen. Sie hatten ursprünglich bis Ende 1987 ihre Stillegungspläne vorlegen sollen, kamen dieser Verpflichtung aber nicht nach. Vor allem Großbritannien, dessen Stahlproduktion nach gewaltigen Schrumpfungs– und Sanierungsmaßnahmen am profitabelsten läuft (taz vom Dienstag), setzte sich für die sofortige Aufgabe der Quoten ein. In vergangenen Jahren hatte die Bundesregierung den Ton im Chor derer angegeben, die das Preis– und Mengensystem aufgeben wollten. Inzwischen befürchtet die bundesdeutsche Stahlbranche jedoch - neben unzulässiger Subventionen - daß andere Länder Europas schneller modernisiert haben, und es bei einem offenen Kampf um Marktanteile mit niedrigen Preisen schwierig für sie wird. ulk
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen