Maurice Höfgen Was kostet die Welt?: Vor hundert Jahren glaubte man, dass wir heute nur 15 Stunden pro Woche arbeiten. Ein erster Schritt dahin sind mehr Feiertage
Das Fest steht vor der Tür. Und damit für viele auch wohlverdiente Feiertage. Zum Glück fallen die Weihnachtstage nicht auf das Wochenende, denken sich die Arbeitnehmer, während sich die Arbeitgeber ärgern. Des einen Freizeit ist des anderen Geschäftsverlust. Ein alter Streit: Können wir uns nicht mehr Feiertage leisten?
Der Wirtschaftsforscher Christoph Schröder vom Institut der deutschen Wirtschaft hat errechnet: Ein Feiertag kostet Deutschland grob 3,5 Milliarden Euro, also nur ein Tausendstel der jährlichen Wirtschaftsleistung. Weil ausgefallene Arbeit und Einkäufe zum großen Teil nachgeholt werden. Wer gerade einkaufen geht, merkt: Die Tage vor und nach Weihnachten sind im Einzelhandel die umsatzstärksten. Sind die Feiertage also gar kein großes Problem?
Das sollte man nicht die Arbeitgeber fragen und schon gar nicht ihren Verbandssprecher. Weil die Wirtschaft kriselt, erklärte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger zum diesjährigen Tag der Arbeit etwa: „Wir brauchen mehr und nicht weniger Arbeit in Deutschland“. In diese Kerbe schlagen auch Union und FDP. Sie wollen Beschäftigte mit Steuererleichterungen zu Überstunden und späteren Renteneintritten bringen.
Dazu kommt: Deutschland altert. Bis 2036 werden 19,5 Millionen Boomer aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden, aber nur 12,5 Millionen neue Arbeitskräfte eintreten. Macht eine Lücke von 7 Millionen Beschäftigten. Mehr Feiertage würden diese Lücke vergrößern, stimmt.
Es braucht also Vorschläge, die die Lücke verkleinern. Zuwanderung von Fachkräften zum Beispiel. Bessere Integration von Geflüchteten. Mehr Kitas, Ganztagsgrundschulen und bezahlbare Pflegeplätze, um diejenigen, die sich um das Kind oder die Oma kümmern, wieder in den Arbeitsmarkt zu holen. Und natürlich Produktivitätszuwächse, also Investitionen in Infrastruktur, in Forschung, in Digitalisierung, in künstliche Intelligenz.
All das erfordert Geld. Mehr Geld. Im Weg steht: die Schuldenbremse. Und klamme Kassen in den Kommunen, in denen – das unterschätzen viele – 40 Prozent aller öffentlichen Investitionen getätigt werden. Seit dreißig Jahren dümpeln die öffentlichen Nettoinvestitionen in Deutschland um den Nullpunkt. Seit zwanzig Jahren sind sie in den Kommunen sogar negativ, dort verliert die Infrastruktur also an Wert. Seit zehn Jahren stagniert die Produktivität. Genau die ist aber der Schlüssel zu Wohlstand – und mehr Freizeit.
Vor knapp einhundert Jahren, 1930, prognostizierte der britische Ökonom John Maynard Keynes, dass wir im Jahr 2030 nur noch 15 Stunden in der Woche arbeiten müssten, um gut zu leben. Er ging davon aus, dass die Produktivität bis dahin so weit gestiegen sein würde, dass mehr Freizeit ohne Verzicht auf einen hohen Lebensstandard möglich sein würde. Heute wissen wir, dass Keynes irrte. Allerdings nicht mit den Zuwächsen an Produktivität, die waren enorm, vor allem zwischen 1950 und 1980. Und siehe da: damals fiel auch die Arbeitszeit immer weiter. Doch Keynes unterschätzte den steigenden Lebensstandard – und, dass die Früchte der Arbeit immer ungleicher verteilt werden.
Auf dem Weg zur 15-Stunden-Woche sind mehr Feiertage ein erster Schritt. Machbar wird das durch mehr Produktivität und Umverteilung. Also ran an die Schuldenbremse, das Steuersystem und die Löhne!
Eine gute Nachricht zum Schluss: 2025 muss bundesweit weniger gearbeitet werden, weil die Feiertage selten auf Wochenenden fallen.
Maurice Höfgen, 28, ist Autor und Ökonom. Hier überlegt er einmal monatlich, wie sich wirtschaftliche Utopien umsetzen ließen.
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