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Mauerpiste oder Stadtautobahn?

■ Kreuzberger und Neuköllner Radler wollen Grenzstreifen als Fahrradwege erhalten/ Zwei Initiativen besonders engagiert/ Ostberliner Büro für Verkehrsplanung hat jedoch andere Vorstellungen

Berlin. Immer öfter drehen die Radler den frustrierten Lenkern »schneller Schlitten« eine Nase, wenn sie an ihnen in verstopften Straßen vorbeiziehen. Daß die Blechlawine in Berlin weiter wachsen wird, ist bei einer täglichen Zulassungsrate von 900 PKWs logisch. Deshalb fordern der Landesbezirksverein West-Berlin des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC), die Grüne Liga aus Ost-Berlin und zahlreiche andere Umweltgruppen sowohl den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrsnetzes als auch von Radwegen. In Kreuzberg und Neukölln gibt es zwei Initiativen, denen es besonders um Erhalt und Ausbau der Pedalritterwege entlang der ehemaligen Mauer geht.

Die Kreuzberger Grünen Radler fordern dies für die Piste zwischen Hauptbahnhof und Potsdamer Platz. Einerseits nutzten die Westberliner das ihnen zugängliche Stück »immer an der Wand lang« bereits vor Abriß des leidigen Gemäuers, andererseits durchfährt man dort ein einzigartiges Gebiet Berliner Geschichte. Zwar verheißt die Tour entlang der Fritz- Heckert-, Sebastian- und Zimmerstraße wahrlich keinen Architekturgenuß, aber ein Flächendokument einer einst geteilten Stadt, gesäumt von Grenztürmen, Mauerresten und verwahrlosten Plätzen und Häusern.

Auch in Neukölln kämpfen gemeinsam mit den Treptower Anrainern Veloenthusiasten um den Erhalt des Grenzweges von der Woltersdorfer Chaussee über Heidekampweg bis zur Puschkinallee als Fahrradpiste. Doch hier hat das Büro für Verkehrsplanung in Ost-Berlin bereits andere Pläne entwickelt. Sie geben den Zuschlag einem Autobahnanschluß entlang des Teltowkanals an die Berliner Stadtautobahn. Denn, so die Begründung des Senats, bei näherem Hinsehen wäre der Weg keine ideale Trasse für Fahrradfahrer, und das verkehrstechnisch rückständige Ost-Berlin müsse nun endlich an das Westberliner Netz angebunden werden. Bei einzelnen Abschnitten könne eine Fahrradbegünstigung vielleicht eingeräumt werden. Doch damit würde nach Auffassung der Neuköllner das Gesamtprojekt wertlos.

Eine endgültige Entscheidung über »Veloweg oder nicht« wird ohnehin durch den Bund gefällt. Trotzdem werden die Neuköllner am kommenden Samstag um 11 Uhr »ihren« Weg an der Ecke Stubenrauchstraße/ Patrouillenweg mit Fahrradpiktogrammen schmücken und Schlaglöcher notdürftig stopfen. adn

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