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MassentierhaltungSchlachten als Erlösung

Der Präsident des niedersächsischen Landvolks nörgelt über neue Tierschutzbestimmungen, während eine Studie offenbart, wie Hühner und Puten in den niedersächsischen Mastbetrieben wirklich leiden.

Sterben oft schon in der Mast, weil sie unter anderem unter Fußballenentzündungen leiden: Hühner und Puten. Bild: dpa

Als "überzogen" hat der Präsident des niedersächsischen Landvolks, Werner Hilse, Pläne des Agrarministeriums bezeichnet, bei der Geflügelmast künftig stärker auf Tierschutz zu achten. "Wir fühlen uns ans Bein getreten", sagte Hilse laut dpa zu den Ankündigungen der Landesregierung, über ein Verbot des Schnäbelstutzens und qualitative Verbesserungen bei der Einstreu nachzudenken. "Es wird der Eindruck erweckt, in den Geflügelbetrieben sei alles ganz schlimm", so Hilse.

Damit hat er nicht Unrecht. Allerdings entspricht dieser Eindruck der Realität - oder genauer: den Forschungs-Ergebnissen des Instituts für Tierhygiene, Tierschutz und Nutztierethologie an der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Und die zögerlichen - inzwischen dementierten - Tierschutzvorstöße des niedersächsischen Agrarministeriums sind allenfalls verspätete Reaktionen auf deren Studien: So hatten Institutsdirektor Jörg Hartung - ausgewiesener Befürworter der Massenmast - und seine Assistentin im Auftrag des Ressorts Untersuchungen zur Besatzdichte bei Hähnchen durchgeführt. Bereits im März 2009 - da waren rund 80 Prozent der Tests abgeschlossen - informierten sie ihren Auftraggeber über erste Ergebnisse, seit Juli liegt im Ministerium ihr Endbericht vor.

Da ruht er sanft: Weder er noch der Bericht über erste Ergebnisse scheinen für die Öffentlichkeit bestimmt. Das könnte am Ergebnis liegen. Zusammengefasst nämlich besagen sie, dass bereits die geltenden, niedrigschwelligen Tierschutznormen durch industrielle Mast nicht verwirklicht werden können: Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die 1999 als eine Art Selbstverpflichtung der Geflügelfabrikanten formulierten "bundeseinheitlichen Eckwerte" und die stark von Lobbyismus geprägte EU Richtlinie von 2007, eine "Mindestvorschrift".

Gegen die verstoßen Hühnermasten "unter praxisüblichen Bedingungen" in dramatischer Weise, wie schon die anderthalb Jahre alte, nach sieben von neun beobachteten Mastdurchgängen erstellte Vorabfassung zeigt, die der taz vorliegt. So hält die Studie fest, dass bereits die Mast oft tödlich verläuft - in der Hälfte der untersuchten Fälle für deutlich mehr Hähnchen, als die einschlägige EU-Richtlinie 2007/43/EG erlaubt. Diejenigen, die bis zur Schlachtreife überleben, leiden so lange unter schmerzhaften Fußballenentzündungen - der hannoverschen Studie zufolge in den Wintermonaten sogar ausnahmslos: "In der feucht-kalten Jahreszeit", heißt es in der Studie, ist eine Pododermatitis bei bis zu 100 Prozent der Sohlenballen zu beobachten". Allerdings sind nur 60 Prozent der Pododermatiden dann auch hochgradig.

Das liegt den Veterinären zufolge vor allem am Bodenbelag: Die ohnehin "ab Mitte der Mast" in Tränkenähe "pappig-matschige" in den übrigen Bereichen durch die Ausscheidungen zu "verkrusteten festen Platten" verdichtete Einstreu weist im Winter nämlich eine noch schlechtere Qualität auf. "Die Kotanteile überwiegen", heißt es in dem Gutachten über den letzten Masttag. Das Schlachten scheint demgegenüber eine fast wünschenswerte Erlösung.

"Das sind in der Tat drastische Missstände", sagt Christian Meyer, agrarpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion über die Ergebnisse der Studie, "und es ist davon auszugehen, dass die tatsächliche Praxis deutlich schlechter aussieht als im niedersächsischen Forschungsgut." Gerade in der Diskussion um die Gesetzgebung - Ende der Woche findet im Agrarausschuss eine Anhörung zur Putenmast statt - dürfe das Grotelüschen-Ministerium "jetzt nichts mehr verschleiern": Auch zur Putenhaltung liegen Studien vor, die neben bis zu 100 Prozent Fußballenerkrankungen noch 27,2 Prozent schmerzhafte Brustblasenentzündungen erfasst haben.

Politisch brisant sind diese Forschungs-Ergebnisse auch, weil die niedersächsische Landesregierung ans Grundgesetz gebunden ist: In Artikel 20a nennt das "den Schutz der Tiere" als ein Staatsziel. Dennoch hat die Regierung die Ansiedlungs-Offensive, mit der Mast- und Schlachtindustrie seit 2009 nach Ostniedersachsen drängen, trotz Kenntnis einer grundgesetzwidrigen Realität nicht gebremst, sondern ideell und finanziell unterstützt. Auch jetzt scheint das Agrarland Nummer eins nicht gewillt, am Staatsziel mitzuwirken: Gerade hat Grotelüschens Staatssekretär Otto Ripke die Behauptung zurückgewiesen, er trete für Verschärfungen von Tierschutzbestimmungen ein.

Eine entsprechende Unterstellung in der HAZ habe ihn "persönlich sehr betroffen gemacht", vertraute er der jüngsten Ausgabe des Fachblatts "Land und Fors"t an, und erteilte "Spekulationen" um eine "Kehrtwende beim Tierschutz" eine deutliche Absage. "Einen Frontalangriff gegen die Tierhaltung", so Ripke könne es in seiner Amtszeit "aus Niedersachsen nicht geben".

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14 Kommentare

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  • MH
    Michael H.

    @Günni:

    In Biologie nicht aufgepasst? Menschen sind ebenfalls Tiere...

  • S
    Sabine

    @kondrat: hoffentlich ersticken sie an ihrem zynismus!

    und sonst:

    esst doch kein quälfleisch mehr, menschen. wachet auf!

    und ja so ist es: wer so mit tieren umgeht, hat auch keinen respekt vor anderem leben, sprich zb den menschen.

    daher find ich KZ auch gar nicht so unpassend.

  • K
    Kondrat

    Ohhhhh...eine Runde Mitleid für die Viecher...

  • G
    Günni

    Huch! Profit durch tierquälende Massentierhaltung?? Wahnsinn!! Diese Nachricht hat Explosionswirkung!

     

    Nie wird der Mensch von seinen hart erarbeiteten Gewohnheiten abweichen. Schon gar nicht aus moralischen oder ethischen Gründen. Nicht mal dann, wenn er Gefahr läuft krank zu werden. Gut ist, was bequem ist, und billig.

  • F
    Frank

    @renner:

     

    Konzentrationslager mit Geflügelmast in einen Satz zu pressen zeugt von sehr geringem Differenzierungsvermögen oder auch weit schlimmerem. Das kann ganz leicht in die entgegengesetzte als wahrscheinlich intendierte Richtung gedeutet werden.

     

    Menschen und Puten sind bei aller erlittenen Qual NICHT dasselbe , zumindest ich nicht (keine Ahnung, wie du über dich denkst). Du machst dasselbe, was du im Eingangssatz anprangerst : Mensch und Tier gleichstellen. "Braun bleibt die Heide" !

     

    Frank

  • D
    Ditti

    Wer das mit Tieren tut, tut das auch mit Menschen.

    Sobald man sie/ihn läßt!

    Der Geist bedingt und formt sich durch Handlungen.

    Na dann, Prost Mahlzeit.

  • C
    Charlotte

    Den Tiermastbetreibern sollte man auch mal den Schnabel ohne jegliche Betäubung kürzen und sie zusammensperren auf engstem Raum!

  • NW
    neue wege

    Wenn die Massentierhaltung NICHT so schlimm wäre, wie sie ist, warum wird dann jeglicher Kontakt zu den Tieren vermieden?? Filter sollen den immensen Gestank vermeiden, der Lärm wird gedämmt. Die Tiertransporte nachts, die dunkelgrüne Farbe der meisten Mastställe - Menschen sollen davon nichts mitbekommen. Das kann nicht richtig sein!!

     

    Es gibt im Januar eine Demo in Berlin: 'wir baben es satt'!

  • A
    Antonietta

    Nachdem die Puten in qualvoller Enge in Mastbetrieben zusammengepfercht worden sind, geht die Qual nun auf dem Transport zum Schlachthof weiter. Immer wieder werden Transporter beobachtet, die völlig überladen sind und mit überhöhter Geschwindigkeit durch die Nachtbrettern. Puten werden primär nachts transportiert, denn bei Dunkelheit schlafen die Tiere. Blutende Wunden und Knochenbrüche sind u.a. die Folgen der todbringenden Tiertransporte – auch hier geht’s oftmals nur um’s Geld.

  • BW
    Bianca Witt

    Prima Artikel, endlich mal Klartext!

    Hoffentlich vergeht den Fleischessern bald der Appetit auf gequälte Tiere!

  • R
    renner

    Eine klare Traditionslinie: Reichsführer Heinrich Himmler (SS) war Geflügelzüchter und auch Ministerin Grotelüschen ist es. Was sie ethisch miteinander verbindet: KZ ist profitabel, daher in Ordnung, für Mensch und Tier. Wo gehobelt wird, fallen Späne - peng.

     

    Demokratie, Tierschutz, Umweltschutz ? Alles Tüdelkram, reine Rhetorik und das auch nur vor Wahlen. Bisschen trivialen Sand in die Wähleraugen und Kameras streuen und ab dafür. Lobby-Linie: Massentierhaltung ohne qualitative Auflagen. Männliche Jungtiere: weggesext,vergast,lebendig zermahlen. Hygienisch einwandfrei, was wollen Sie denn ?

    Im Denken unbeirrt preussisch-autoritär, an Weihnachten evangelisch, klar.

    Braun bleibt die Heide: Albrecht, von der Leyen, Grotelüschen - alles eine Uniform.

  • M
    Moritz

    Ich esse schon seit Jahren kein konventionelles Fleisch mehr, weil der Ekel vor diesen missbrauchten Tieren größer ist, als mein Hunger auf Fleisch. Ich esse aussschließlich Fleisch, von dem ich weiß, dass die Tiere gut und natürlich gehalten wurden und natürliches Futter bekommen haben, also kein Genmais oder Gensoja. Biobratwürste sind geschmacklich mit den Industriewürsten in Discountern oder auf Weihnachtsmärkten in keiner Weisee vergleichbar. Ich möchte sogar behaupten, dass Bratwürste, in denen Glutamat, Konservierungsstoffe und Quälfleisch stecken, abgrundtief schlecht schmecken und daher ungenießbar sind. Leider hat sich die halbe Welt an diesen Industriegeschmack gewöhnt, so dass minderwertiges Hähnchen- und Schweinefleisch aus Niedersachsen reißenden Absatz finden, weil der Verbraucher wieder mal ein Schnäppchen auf Kosten der Menschen, Umwelt und Tiere machen konnte. Es ist ja soo billig! Supaa!

  • PB
    Pater Brown

    Hilse, der tierverachtende Agro-Industrie-Hardliner, möchte verhindern, dass der Eindruck entsteht, in den Geflügelbetrieben "sei alles ganz schlimm". Genau das kennzeichnet den Realitätsverlust der nicht nur in Niedersachsen so mächtigen Profiteure der Tierquälerei. In den Geflügelbetrieben IST alles ganz schlimm und wenn man es verbessern wollte, wäre der Profit dahin. Es wird auf Kosten der gequälten Kreatur gelogen, was das Zeug hält und die Politiker decken den Skandal. Allervörderst mitgemischt hat früher der Peinlich-Präsi Wulff. Dieses ganze verkommene System der industrialisierten Tierqual gehört hinweggefegt.

  • MR
    max rosin

    sogar beim arbeiten mit holz etc. gilt: raus kommt, was hineingegeben wird.

    finger weg!