■ Massenschwund in Unibibliothek: Klaut mehr Bücher!
Göttingen (taz) – Die Bibliotheksrevision im Seminar für Deutsche Philologie der Uni Göttingen machte jetzt zur Gewißheit, was viele Benutzer längst befürchteten: Mehr als 600 Bücher und Zeitschriften stehen auf der aktuellen Verlustliste für 1993. Ähnlich große Lücken hat die Hochschulverwaltung in den Bücherregalen anderer Institute entdeckt. Besonders begehrt bei den Germanisten sind die Klassiker Goethe und Schiller; hier fehlen allein 66 Bände. Vermißt werden aber auch 60 Bücher zur Fontane-Forschung, diverse Lexika und Werke zur marxistischen Linguistik und zu marxistischen Forschungsansätzen der Schiller-Rezeption. Gerade hier sei die Rückführung von Allgemeingut in Privateigentum doch sicher nicht im Sinne des Verfassers, entrüstete sich ein Seminarsprecher. Andere wittern eine großangelegte Geschäftemacherei: Etliche der gestohlenen Bücher sollen bereits in Göttinger Antiquariaten zum Kauf angeboten werden. Die Installation eines Sicherungssystems, das Bücherdiebe beim Verlassen der Bibliothek enttarnen würde, hat die Landesregierung in Hannover bislang nicht bewilligt. Die lapidare Begründung: Eine Anschaffung erscheine erst dann sinnvoll, wenn die Verlustsumme genauso hoch liege wie der Beschaffungspreis. Momentan sei dieser Wert aber noch nicht erreicht.
Da möchte man den Studis doch zurufen: „Weiter so, klaut mehr Bücher!“ Reimar Paul
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen