Massenproteste in Brasilien: „Je schlechter, desto besser“
Millionen fordern in Brasilien den Rücktritt der Mitte-links-Regierung von Dilma Rousseff. Die Linke bangt um den Erhalt der Demokratie.
Die Demonstranten äußerten ihren Unmut über die Lage im Land, die von Opposition und Massenmedien als unzumutbar dargestellt wird. Anhänger der Regierung nennen dies den Appell an ein „Je schlechter, desto besser“ und verweisen auf die Blockadepolitik im Kongress, die das Regieren seit Monaten fast unmöglich macht.
Tonangebend ist auf der Straße jedoch der rechte Rand. Es ist der Ruf nach einer starken Führungsperson, während demokratische Spielregeln und rechtsstaatliche Normen eher als Problem gelten. Auf Plakaten wird eine Rückkehr der Diktatur herbeigesehnt oder eine Intervention der Militärs gefordert. Auch Fotos von Männern im Trikot der Nationalmannschaft mit zum Hitlergruß erhobener Hand kursieren in den sozialen Netzwerken.
Die rechte Opposition forciert ein Amtsenthebungsverfahren. Und nun droht auch noch der wichtigste Koalitionspartner PMDB mit Austritt aus der Regierung. Doch Rousseff gibt sich kämpferisch. In einer Ansprache am Freitag schloss sie einen Rücktritt kategorisch aus. Ihren Gegnern warf sie vor, eine politische Krise verursacht und so der Wirtschaft geschadet zu haben.
Das Amtsenthebungsverfahren – von der PT als „Putschversuch“ bezeichnet – steht auf wackeligen Füßen: Abgesehen von Kronzeugenaussagen, die der Presse illegal zugespielt wurden, ist es bisher nicht gelungen, Rousseff mit der Korruptionsaffäre in Verbindung zu bringen. Nun werden ihr illegale Wahlkampffinanzierung und Unregelmäßigkeiten in der Haushaltspolitik vorgeworfen. Ihre Beliebtheit ist auf knapp über zehn Prozent gesunken.
Linke planen Gegendemonstration
Für kommenden Freitag haben linke Parteien und Bewegungen zu Gegendemonstrationen zur Verteidigung der Demokratie aufgerufen. Viele stehen vor einem Dilemma: Rousseff kommt den Konservativen seit Längerem entgegen und verficht den Abbau von Arbeitnehmerrechten und Sozialleistungen. Die Mehrheit der Linken wird also nicht für Rousseff, aber gegen ihre Amtsenthebung demonstrieren.
Inzwischen haben die Ermittlungen im Korruptionsskandal die Spitze der PT erreicht und betreffen sogar den einst so populären Expräsidenten Lula. Demnach flossen Bestechungsgelder in die Taschen von Politikern und an politische Parteien, die zumeist der Regierungskoalition angehörten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe