Massenproteste bei Opel: Tausende auf der Straße
In Deutschland demonstrieren tausende Beschäftigte gegen die Jobabbaupläne des Mutterkonzerns General Motors. Freude in Großbritannien und Polen.
Proteste in Deutschland und Belgien, Freude in Großbritannien und Polen: Nach der überraschenden Entscheidung des US-Autokonzerns General Motors (GM), seine europäische Tochtergesellschaft Opel nicht an das kanadisch-österreichische Zulieferunternehmen Magna zu verkaufen, ist die Zukunft für alle europäischen Opel-Standorte wieder offen.
In Großbritannien bezeichnete die Gewerkschaft Unite die GM-Entscheidung als "fantastisch"; in Polen herrschte Erleichterung, weil die Magna-Pläne für den Standort Gleiwitz ungünstig gewesen seien, wie ein Gewerkschafter betonte. In Deutschland sind die Opelaner dagegen in Sorge.
Hierzulande hatten sich Betriebsräte und Gewerkschafter schnell auf Magna als neuen Opel-Eigner eingeschossen, weil sie davon ausgehen konnten, dass die vier Opel-Standorte - Rüsselsheim, Bochum, Kaiserslautern und Eisenach - relativ glimpflich davonkommen würden.
Deshalb hilft es den Deutschen nun auch nicht, wenn GM jetzt betont, wie Magna etwa 10.000 von 50.000 Stellen bei Opel in Europa abzubauen. Die Frage, wo welche Jobs wegfallen und wo welche Kompetenzen gebündelt werden sollen, ist nicht nur eine betriebswirtschaftliche, sondern auch eine betriebspolitische. Und das ängstigt die deutschen Beschäftigten.
So ist für den Autoexperten der Fachhochschule Bergisch Gladbach, Stefan Bratzel, in Deutschland nur der Standort Rüsselsheim sicher, der auch über eine wichtige Entwicklungsabteilung verfügt. "Reine Produktionsstandorte im Hochlohnland Deutschland werden immer schwieriger." Die Werke müssten Schwerpunkte bilden.
Das ist leichter gesagt als getan. Immerhin wollte GM nach seinem Sanierungskonzept vom Mai laut Medienberichten drei Werke schließen: Das Werk im thüringischen Eisenach sollte für zwei Jahre dichtmachen, die Werke im belgischen Antwerpen und im nordrhein-westfälischen Bochum standen ganz auf der Kippe.
GM kündigte aber bereits an, dass das Werk in Bochum erhalten werden könne. GM hofft dabei auch auf staatliche Hilfe. "Ich bin hoffnungsfroh, dass die Bundesregierung unseren Plan, wenn sie ihn gesehen hat, gut finden und uns genauso unterstützen wird wie die Regierungen aus Spanien, Polen und Großbritannien", sagte GM-Vize John Smith. Sollte Deutschland die Unterstützung verweigern, müsse GM einen "Plan B" ziehen.
Die Beschäftigten in Deutschland wollen sich nicht spalten lassen. In Rüsselsheim demonstrierten am Donnerstag 10.000 Beschäftigte, in Kaiserslautern mehrere tausend, und in Eisenach 500. In Bochum versammelten sich 4.000 Opelaner. Zu Besuch war auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU). Das Vorgehen des Konzerns sei "nicht akzeptabel", "unseriös", "rücksichtslos" und "menschenverachtend", sagte er. Es gehe nicht nur um die Arbeitsplätze bei Opel, sondern auch um die Zulieferbetriebe - "ohne Standortsicherung gibt es kein Geld."
Der Bochumer Betriebsratschef Rainer Einenkel kündigte bereits Kompromisse an. Zwar seien alle Zugeständnisse, die die Beschäftigten gegenüber Magna gemacht hätten, hinfällig, aber bei einer Standortgarantie könne man noch mal reden. Nordrhein-Westfalen habe 18 Millionen Einwohner, viele davon führen einen Opel. "Wer das Opel-Werk in Bochum schließt, begeht Mord an dieser Marke."
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