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Massenkündigung bei der 'Jerusalem Post‘

■ Die elf Redakteure werfen dem Verlagschef der einzigen englischsprachigen israelischen Tageszeitung, Levy, Einmischung und Rechtsruck vor / Blatt wechselte 1989 den Besitzer / Massenzeitung für Juden in den USA und Kanada geplant / Redakteure fordern Levys Ablösung

Jerusalem (ap/afp/taz) - Ein seit längerem schwelender Konflikt mit dem Herausgeber hat am Montag zu einer Massenkündigung in der Redaktion der 'Jerusalem Post‘ geführt, der einzigen englischsprachigen Tageszeitung Israels. Neun Redakteure und Reporter schickten dem Chef des kanadischen Eigentümerkonzerns ihre Kündigung. Zu ihnen gehört der geschäftsführende Redakteur David Landau, mehrere Ressortleiter, der Leiter des Tel Aviver Büros und der diplomatische Korrespondent des Blattes. Elf weitere Redakteure erwägen die Kündigung. Eine Woche zuvor war Redaktionsleiter Erwin Frenkel ausgeschieden. Frenkel warf dem Herausgeber Jehuda Levy vor, seine Stellung in der Redaktion unterhöhlt zu haben.

Die Redaktionsmitglieder meldeten am vergangenen Donnerstag das Bestehen eines Arbeitskonflikts an. Dies gibt ihnen das Recht, nach Ablauf einer zweiwöchigen Frist Arbeitskampfmaßnahmen einzuleiten. Sie fordern die Ablösung Levys und die Wiedereinstellung Frenkels.

Die 'Jerusalem Post‘ gehört seit April letzten Jahres mehrheitlich der kanadischen Zeitungsgruppe Hollinger Inc. Deren Vorstandsvorsitzender David Radler hatte Levy im Juli zum Präsidenten und Herausgeber der Zeitung ernannt. Am 30.November nahm Chefredakteur Ari Rath wegen andauernder Meinungsverschiedenheiten mit Levy seinen Abschied.

Diejenigen, die am Montag kündigten, teilten Radler mit, ihnen bleibe keine andere Wahl angesichts einer stetig zunehmenden Erosion der redaktionellen Unabhängigkeit und einer damit einhergehenden Attacke auf die seit Gründung des Blattes im Jahr 1932 bestehende redaktionelle Linie. Levy wies den Vorwurf zurück, daß er die 'Jerusalem Post‘ auf Rechtskurs zu trimmen versuche. Er sagte, er habe nichts getan und wolle auch nichts tun, um die politische Linie der Zeitung zu ändern.

Doch eben dies war bereits erwartet worden, als die Zeitung aus finanziellen Gründen von der kanadischen Gruppe übernommen wurde. Die neuen Besitzer wollen die angesehene 'Post‘ in ein Massenblatt umwandeln, das sich vornehmlich an jüdische Leser in Kanada und den USA richtet. Auch bisher hatte die Zeitung eine internationale Ausgabe. Die Qualität der Berichterstattung, so befürchteten die Redakteure, werde dann einer unkritischen Darstellung und einem größeren Anteil an Unterhaltung geopfert werden.

Das ursprünglich unter dem Namen 'Palestine Post‘ erschienene Blatt galt nach der Gründung des Staates Israel im Jahre 1948 als Organ der damaligen Regierungen der Arbeiterpartei. Im Laufe der letzten Jahre war die Zeitung zu einer unabhäbgigeren Linie übergegangen, vor allem in der Frage der besetzten Gebiete, und hatte vornehmlich die Meinung der „Tauben“ in den Reihen der Arbeiterpartei vertreten, aber auch andere Auffassungen zu Wort kommen lassen. Dadurch hatte die Zeitung trotz einer Auflage von 50.000 international an Ansehen gewonnen.

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