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Massenflucht aus Burundi

■ Gestürzter Präsident offenbar getötet

Berlin (dpa/AP/AFP) – Der erste frei gewählte Präsident Burundis, Melchior Ndadaye, ist offenbar von den Putschisten getötet worden, die am Donnerstag die Macht in dem ostafrikanischen Kleinstaat an sich gerissen hatten. Eine Bestätigung für die Meldung, die aus verschiedenen Quellen stammt, war gestern nicht zu erhalten, da Burundi derzeit praktisch von der Außenwelt abgeschnitten ist.

Die Militärs haben den Ausnahmezustand ausgerufen, eine nächtliche Ausgangssperre verhängt und Versammlungen verboten. Grenzen und Flughafen wurden geschlossen, der Schiffsverkehr im burundischen Teil des Tanganjika- Sees gestoppt und die Fernmeldeverbindungen unterbrochen. Vorher hatte der untergetauchte Informationsminister Jean-Marie Ngendahayo noch ein Telefoninterview geben können. Er berichtete, spontane Sympathiekundgebungen der Bevölkerung für Ndadaye seien von der Armee blutig niedergeschlagen worden. Laut AFP soll es in verschiedenen Landesteilen zu Kämpfen zwischen Putschisten und loyalen Einheiten der Armee gekommen sein.

Die Militärherrscher gaben im Rundfunk bekannt, ein „Komitee der nationalen Rettung“ gebildet zu haben. An dessen Spitze steht François Ngeze, Minister in der Regierung des früheren Juntachefs Pierre Buyoya. Außerdem soll der 1987 gestürzte Diktator Jean- Baptiste Bagaza zu den Hintermännern des Putsches gehören.

Zehntausende von Burundiern sind mittlerweile in die Nachbarstaaten Ruanda, Tansania und Zaire geflüchtet. Zahlreiche afrikanische Diplomaten bezeichneten die Entwicklung als „Katastrophe“, die in einen Bürgerkrieg münden könne. Selbst die „Organisation für Afrikanische Einheit“, die sich bisher nicht in innere Angelegenheiten ihrer Mitgliedsländer eingemischt hat, hat den Putsch als einen „Rückschlag für die Demokratie in Afrika“ bezeichnet.

Die Regierung von Präsident Ndadaye, der zum Mehrheitsvolk der Hutu gehört, hatte sich um nationale Versöhnung zwischen seiner Volksgruppe und der jahrhundertelang herrschenden Minderheit der Tutsi bemüht, die nach wie vor die Schlüsselpositionen in der Armee innehat. Der ethnisch und historisch begründete Machtkampf zwischen den verschiedenen Teilen der Bevölkerung hat in der Vergangenheit bei Aufständen und Massakern Hunderttausende von Menschenleben gefordert.

Scharf verurteilt wurde der Putsch auch vom westlichen Ausland. Bundesentwicklungshilfeminister Carl-Dieter Spranger hat die jüngsten deutschen Hilfszusagen für das Land in Höhe von fast 100 Millionen Mark gestoppt. Bereits laufende Entwicklungsprogramme sollen überprüft werden. Die USA sind noch weiter gegangen: Sie haben ihr laufendes Hilfsprogramm im Umfang von rund 16 Mill. US-Dollar eingefroren. Auch die Frankreich hat damit gedroht, seine jährliche Entwicklungshilfe in Höhe von rund 56 Mill. Mark auszusetzen. Die ehemalige Kolonialmacht Belgien erwägt einen ähnlichen Schritt. Burundi gehört mit einem jährlichen Pro-Kopf- Einkommen von umgerechnet 350 Mark zu den ärmsten Ländern der Welt. Es bezieht fast ein Viertel seines Bruttosozialprodukts aus der Entwicklungshilfe.

Siehe Kommentar Seite 10

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