: Maskierte Kommandos und Morddrohungen
■ Tränengas beim Begräbnis von Jose Carrasco Tapia / Morddrohungen gegen Menschenrechtler und Journalisten / Maulkorb für ANSA
Santiago (afp/ap/dpa) - Der chilenische Journalist Jose Carrasco Tapia (38) ist am Mittwoch in Santiago bestattet worden. Carrasco war am Montag von einem bewaffneten Kommando verschleppt und am Dienstag am Stadtrand von Santiago ermordet aufgefunden worden. Die Polizei hinderte Hunderte von Menschen unter Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern daran, einen Trauerzug zu bilden, der vom Sitz des Journalistenverbandes zum Zentralfriedhof gehen sollte. Bei den Zwischenfällen wurde ein Journalist des Wochenblattes Hoy, Alejandro Guille, verhaftet, der ein Bild des Ermordeten trug. Der Wagen mit der Urne sowie Fahrzeuge mit Angehörigen und Freunden des Journalisten mußten schließlich über Seitenstraßen zum Zentralfriedhof fahren. Auch der ehemalige Generalsekretär und heutige Berater des chilenischen Journalistenverbandes, Felipe Contreras Munoz, hat inzwischen anonyme Morddrohungen erhalten und bei den Gerichten um Schutz ersucht. Der Leiter der linken Zeitschrift APSI, Marcelo Contreras, hat eine Habeas–Corpus–Klage eingereicht, nachdem Polizisten mit Haftbefehl in seine Wohnung kamen. Zeugenberichten zufolge sind gewisse Führer der linken Opposition bereits von schwerbewaffneten, maskierten Kommandos in ihren Wohnungen aufgesucht und bedroht worden, sie würden das gleiche Schicksal erleben wie die drei jüngsten Mordopfer, wenn sie das Land nicht so schnell wie möglich verließen. Einige von ihnen haben bereits ihre Koffer gepackt, um außer Landes zu gehen. Wer sich hinter der neuen „Todesschwadron“ verbirgt, ist noch schwer zu sagen. Doch der Präsident des chilenischen Menschenrechtsausschusses, Jaime Castillo Velasco (60), Justizminister unter dem christdemokratischen Präsidenten Eduardo Frey (1964–1970), „mutmaßte“ am Mittwoch vor der Presse, daß die Terrortrupps „Verbindungen zur Regierung“ hätten. Jaime Castillo hatte die Militärbehörden aufgerufen, die seit Sonntag gegen Mitglieder des Menschenrechtsausschusses eingeleitete Repression einzustellen. Zwei Mitglieder des Ausschusses, Pedro Castillo und Pascual Barraza, wurden verhaftet, zwei weitere, German Molina und Homar Rosales, erhielten Morddrohungen und halten sich seitdem versteckt. Staatspräsident Pinochet hatte am Montag erklärt, „alle, die mit den Menschenrechten zu tun haben, sollten des Landes verwiesen oder auch eingesperrt werden“. Der Oberbefehl des fünften chilenischen Wehrbezirks in Punta Arenas hat am Mittwoch die Verschleppung und Ermordung des chilenischen Oppositions–Journalisten Jose Carrasco Tapia scharf verurteilt und eine strenge Bestrafung der Täter gefordert. Die von Brigadegeneral Jaime Gonzalez Vergara befehligten Offiziere drücken in ihrem Kommunique die „energischste Mißbilligung und Verurteilung“ aus. Am Mittwoch verbot die chilenische Regierung der italienischen Nachrichtenagentur ANSA, Meldungen aus Chile abzusetzen. Der ANSA–Korrespondent Giorgio Bagoni sagte, das Verbot sei mit dem Vorwurf begründet worden, ANSA habe „voreingenommen und falsch“ über Vorgänge in Chile berichtet. Bagoni fügte hinzu, es stehe den chilenischen Behörden frei, alles ANSA–Material zu überprüfen. 27 Exilchilenen mußten auf dem Flughafen von Santiago wieder umkehren. Die Behörden hatten diesen Personen, darunter Ex– Parlamentarier und Minister der Allende–Ära, die Einreise untersagt, die sie als eine Art Demonstration erreichen wollten.
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